Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Zwischen-Stille

Ich weiß nicht wohin du mich trägst und wohin ich mich selbst erzähle. Ich mag die Stürme durch die geöffneten Fenster meiner Seele kommen und weiß doch - sie testen meine Wurzeln in ihren Wunden und heben sich kurz unter das schon Vernarbte.

Vertraue dem Regen, der mit seinen Tropfen so zärtlich meine Lippen berührt. Einige sammeln sich auf dem Boden und spiegeln das gebrochene Licht, das sich umarmend und wie ein großer Trost über die dunklen Spuren am Boden legt. Aller Staub erhebt sich in ihnen, wie ein großer Beginn voller Zauber.

Mir legt sich das Windrauschen der welken, verbliebenen Blätter vom alten Baum vorm Fenster in meine Augenblicke. Flüsternd streifen sie mir ihre Geschichten über meine Haut. Bis sie wieder ins Wolkenlose verschwinden. Vergangen bin ich und doch im Zerfließen meiner Selbst ein Aufbegehrendes. Widerspenstig gegen die Annahme alles vergeht, erhebe ich mich und falle...immer wieder. Bis ich mich verliere und ins wiederkommende Blühen zergehe.

Dort ist das Aufstehen aus meinem schon so oft Sterbenden. Wie könnte ich sonst denn schreiben? Es sind die Erfahrungen, jedes Hoch und jedes Tief, die die Sprache formen und es sind die tiefsten Geflechte unserer Seelen, die zu lieben fähig sind - auf vielen Ebenen und Formen und doch der einen vertrauen, die ALL-ES zusammenführt fähig ist. Darin man das Nichts verliert und das Ganze sich erheben kann. Wenn ES IST. Nur dann wird ES SEIN können. Zu beschreiben dieses ist unmöglich, da unerreichbar tief seine Wahrheit. Der Grund dieser Liebe...er will einfach nur sein, ohne ergründet zu werden.

Ich schreibe Gedanken in die geliebte Stille auf ein Blatt Papier. Dafür habe ich die beinah schon getrocknete schwarze Tinte im kleinen Fässchen mit dem weißen Schraubdeckel aus meinem Sekretär gekramt. Eine Zeichenfeder, mit der ich gelegentlich tatsächlich zeichne, liegt auf einem Blatt, das mich schon tagelang anstarrt und darauf wartet, dass ich das erste Worte endlich beginne zu schreiben.

Mein Blick geht auf die immer noch leere Seite und dann an die Wand, die mich mit ihrer Struktur in andere Gedankenbahnen lenkt. Ich habe dich erkannt, aber hab dich nie gesehen und doch hast du dir wie ein angekommener Vogel ein Nest in mir gebaut. Kaum, dass ich meine, nun ist er wieder weg, der Specht, der in meinem Lebensbaum seine Höhle hämmert, da flattert ein Eisvogel hinein, der mit seiner schimmernden blauen Farbe, die Meere in mir ruft. Und schon setzt sich auch eine Möwe in meine Augen und schleppt eine Sand gefüllte Muschel ins innere Tagebuch meiner Seele.

Ich fürchte mich vor den Zeilen, die du mir hinein schreibst, weil ich nicht weiß, ob ich sie, diese scheinbar bodenlosen Worte, auch auf mein Blatt Papier übertragen kann.

Wir wissen uns jeden aus seinem Ich ins All-Eins zu sagen. Dort treffen wir auf das Geflecht dessen, was das Leben zu sagen hat und was es uns aufzeigte. Mit all seinen Sand gefüllten Worten - ungesagt und gesagt. Ich fülle die Worte mit dem, was sich zu mir trägt und weiß und bekenne mich der Verantwortung zu ihnen. Jedes davon braucht ein tiefes Verständnis dessen, was es besagt. Nur dann kann ich mich lösen und es dem Akt des Verschmelzens mit einem weiteren übergeben.

Wir haben nie begonnen zu sagen - und doch zu viel Ungefülltes und Leeres gesprochen. Wir haben dadurch Höhlenwelten erschaffen, in denen der eine nach dem anderen sucht und sie sich nie begegnen können. Sie schwimmen darin haltlos aneinander vorbei. Die Leere blieb, die sich mit dem Wasser dieser Höhlen füllten, in denen trotzdem aller Täuschungen kein Fortleben möglich war.

Was bleibt und was wird aus den leeren Hüllen, die sich voller Trauer darum umarmten.

Leeres Blatt...nur auf dem Windgetragenen ist zu lesen. Unergründlich. Es ist und darf sein. Das, was sich zu mir trägt.

Lotta Blau


Bild:free