Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Der Roboter im Weitweitwegland und seine Geschichte

Auf einem fernen Planeten, in einem Land, welches Weitweitwegland hieß, wohnte einmal ein Roboter. Das war nicht immer so. Er war nicht immer eine Maschine, sondern einmal war er ein Mensch. Sogar ein ziemlich empathischer und kluger. Vieles sah er anders und je mehr man anders sieht und je mehr man Dinge durchschaut, desto mehr rutscht man an den Rand der Gesellschaft, immer weiter weg von der Mitte und bekommt die Chance von Außen nach Innen zu sehen. Doch gerade das macht auch oftmals sehr, sehr traurig und so manches Mal blieb ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht zurück, sogar hin und wieder ein wenig Wut. Doch niemals Hass oder Gleichgültigkeit. Auch in der Liebe sind solche Menschen sehr verletzbar. So erging es auch dem Roboter einmal, bevor er einer wurde.

Vor vielen, vielen Jahren war das, als er sein Herz verlor. Nicht einfach so, sondern langsam...immer weniger spürte er es, immer weniger tat es ihm weh, wenn mal wieder etwas Schlimmes die Welt erschütterte und so verschwand selbst auch der Liebeskummer aus ihm, den er so stark spürte, als hätte man ihm mit einem Dolch direkt das Herz zerschnitten.

Und so wünschte er sich, es möge sein Herz aufhören zu fühlen...es sollte aufhören zu schmerzen, denn das Freuen und sich glücklich fühlen wurden immer weniger. Er hielt es nicht mehr aus und bat sein Herz lieber kalt zu werden.

Eines Morgens dann, da wachte er auf und spürte seinen ganzen Körper durchzogen von einer unglaublichen Kühle. Er sah zum Fenster hinaus, wie jeden Morgen, sah nach, ob es regnete oder die Sonne schien.

An jenem Morgen schien das helle Licht zu den Fensterscheiben, auf denen sich noch getrocknete Reste des letzten Regens abzeichneten. Normalerweise nahm er all das wahr, doch heute sah er nur hindurch und es war ihm egal.

Gleichgültig streckte er seine...ja...was war das? Er schaute an sich hinunter...und nahm es nur zur Kenntnis, mehr aber auch nicht: Sein Herz hatte ihn wohl endlich erhört und - er dachte er träume ja sowieso, denn so was gab es ja nicht- ein Zauber hätte ihm die Gestalt eines Roboters geschenkt.

Da er ja nun nicht mehr fühlen konnte, war ihm alles gleichgültig...immer gleich...nichts interessierte ihn mehr, egal nahm er alles, wie es gerade erschien.

Er ging vor die Türe und stellte fest- aus dem Fenster eben hatte er es wohl nicht sehen können - dass er sich nicht mehr auf der Erde befand, sondern ...ja, wo eigentlich?

Er ging weiter, es war viel Staub und Sand auf diesem Planeten und kam irgendwann an ein Schild:

Willkommen auf dem Planeten der gewünschten Maschinen.

Hm...immerhin lesen klappte noch und auch das Denken...doch es war maschinell und linear. Kein Abweichen, kein Nach-denken, kein Hinterfragen, keine Änderung und so weiter.

So, wie er das Schild eben las und es für ihn nur noch hieß: Das ist so. Nicht mehr und nicht weniger.

Er lebte sich doch recht gut ein auf diesem Planeten. Er brauchte nichts, vermisste nichts und fand sich damit ab. Alles funktionierte mechanisch - kein Widerwort, kein Zögern, kein großes Denken vor dem Handeln, sondern direktes Handeln und Tun.

Es ist so - so hatte er es gewollt. Nun ist es eingetreten.

Da er aber nicht mehr fühlen konnte, denn auch sein Herz war ja nun aus Blech, konnte er ja leider auch nicht empfinden, ob es nun glücklicher macht, so ohne ein warmes, weiches aber doch verletzbares Herz oder ob es letztendlich besser ist nichts mehr zu spüren.

So existierte er auf diesem Planeten einige Zeit, bis eines Tages das Blechherz begann immer häufiger zu stocken...es klapperte und rasselte manchmal heftig. Das nahm er hin, denn zu mehr reichte seine Roboterseele ja nicht.

Er hatte längst nicht den ganzen Planeten erkunden können, denn er schien doch ziemlich groß.

Irgendwann kam er in einem Garten voller Sterne, die aber nicht über ihm blinkten, sondern auf einem Stil standen, wie eine Sternenblume sahen sie aus - und es waren unendlich viele. Riesig war dieser Sternengarten.

Und es waren Sternenblumen, die zusammenstanden und andere, die am Rande wuchsen.

Zu einer dieser Randblumen zog es den Roboter hin:

Ich weiß nicht, ob du schön bist oder nicht, ob lieblich oder scharfkantig. Ich seh dich und betrachte dich nur aus meiner Logik heraus, sagte der Roboter zur Blume.

Ja, ich weiß...gab diese zurück.

Woher?, sagte der Roboter kühl.

Weil ich dein einstiges Herz und Seele bin. Alle hier gehören zu einem Menschen, der uns einstmals abgab und sich wünschte nie mehr zu fühlen. So brachte man alle hierher - auf diesen Planeten und wir wurden zu Sternenblumen und so hielt man uns am Leben, ja sogar durften wir weiter gedeihen und reifen.

Nun hast du mich gefunden - mein Mensch. Da blinkte der Stern und wurde heller und heller. Dieser Schein und das Schimmern trat in des Roboters Augen bis hinunter zum Blechherz und das krampfte sich derart zusammen, dass mit einem baldigen Stillstand zu rechnen war. Abgenutzt eben und gealtert, ja sogar ein wenig verrostet und das war das eigentliche Problem.

Ich hab dein Blechherz gerade gesehen, sagte der Stern. Es wird bald aufhören sich im Zahnrad deines Inneren zu drehen und du wirst einfach umkippen und von innen weiter rosten, bis deine Hülle zerfällt - irgendwann. Schmerzen wirst du dabei nicht haben, denn das kannst du ja nicht spüren. Aber deine Gedanken werden es erfassen. Mehr nicht. Du wirst wissen, ohne wirklich zu wissen. Fehlt dir nicht das Fühlen? Fehle ich dir denn nicht?

Ich weiß es nicht, sagte der Roboter und schon wieder knackste es in seinem Blechinneren. Einzig kann ich sagen das ich dich sehe und ich höre, wie du mit mir sprichst.

Berühre mich, sagte der Stern.

Da legte der Roboter seine Hand an den Stern und seine Herzenswärme durchfuhr den Roboter. Ein weiteres Wunder geschah, denn plötzlich spürte er zaghaft ein Gefühl. Wusste nicht welches, konnt es nicht einordnen - da sah der Stern zwei Tränen aus des Roboters Augen rollen, die auf den Stern tropften.

Die Blume schüttelte sich und dadurch breitete sich Sternenstaub über die Maschine und ummantelte die Roboterhülle und mit jedem Staubkörnchen, welches letztendlich alle schönen Gefühle des einstigen Menschen waren suchten sich ihre Wege im Inneren und begannen um das verrostete Herz der Maschine ein Tuch zu weben und daraus entstand ein Geflecht und das webte sich in die Zahnräder.

Der Roboter fiel auf die Knie...Was passiert mit mir?

Du bist eine Fehlkonstruktion gewesen, flüsterte der Stern. Irgendwo war wohl noch ein Rest deiner Gefühlswelt versteckt, sonst hättest du diese zwei Tränen nie weinen können.Vielleicht war das der Grund warum du innen gerostet bist. Da du weinen konntest und die Tränen auf mich gefallen sind, bekommst du eine zweite Chance und wirst wieder hergestellt - du wirst Mensch.

Schon kehrte das Äußere sich um, unter der Maschine kam der Mensch hervor - der eiserne Mantel fiel mit Hilfe des Sternenstaubes komplett ab. Innen wurde alles wieder lebendig und es begann Zelle für Zelle wieder ihre Arbeit aufzunehmen - bald war alles wieder hergestellt.

Die Sternenblume - seine Sternenblume sagte dann: Nun wird es auch Zeit für mich...da löste sie sich in ein Licht auf, funkelte kurz noch einmal und war dann - unsichtbar übergetreten in Seele und Herz des erwachten Menschen.

Was für ein verrückter Tag-Traum, sagte sich der Mensch, immer noch aus dem Fenster blickend und sah an sich hinunter - war da etwa ein kleines funkelndes Staubkörnchen auf seiner Brust?

Überwältigt flossen alle Tränen der vergangen Jahre aus ihm...Stundenlang, schien es...endlich ...


Lotta Blau, 2018