Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Die Sprache macht verantwortlich.

Ein Gedankenspaziergang von Lotta Blau zu den Werken von Gabriele Springer
Der Schmerz macht müde, schrieb einst Klaus Mann in seinem Zeitzeugenroman DER WENDEPUNKT. Wo Schmerz ist, sind auch Wunden. Wir lebten immer auf einem Vulkan. Das Leben ist ein Vulkan. Immerfort. Ein Vulkan von kalter Asche, aber auch von heißer Glut. Zwischen diesen beiden Extremen lebt die innere Mitte. Jene Tage der Harmonie in uns, des Gleichgewichts.  Und immerfort der Ruf nach Sinn in uns. Nach Wort und Wahrheit. Jedes Wort streut Samen für das nächste. Jedes Wort ins Leben gestreut. Die Worte von heute formen die Sprache von morgen mit. Was gesagt wird Früchte tragen. Ob gute oder schlechte, ob gleichmütig oder gar bösartig. Die Samen werden austreiben aus welchem Boden sie entwachsen sind.

Die Sprache macht verantwortlich.  Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück, schrieb einst Karl Kraus. Was gestern gesagt wurde, fordert heute und morgen Rechenschaft und Verantwortung.

Gabriele Springer malte ihr Bild: Hoffnung? Sie schrieb ein Fragezeichnen in den Titel. Ein Mensch, der zugleich mit einem Samen aus dem Boden wächst. Sich die Ohren zuhält, als wolle er die Welt nicht hören, in die er geboren wird, als wolle er das Wachsen der Pflanze nicht hören. Dieses Bild ist vielseitig interpretierbar. Da gerade heute wieder die Sprache, das Wort, so viel Schaden anrichtet, die Menschen gegeneinander aufbringt und auseinander statt näher bringt, habe ich mich für die Variante der Kommunikation entschieden. Weil Wort Ton ist, ist selbst das Stumme Klang. Selbst der Blick spricht, selbst die Hand erzählt, selbst der Gang berichtet. Wir tragen in uns das Heilige und wir tragen in uns das Böse. Nicht das Dunkle ist es, das mit dem Hellen liebt und lebt. Wir sprechen nicht nur selbst, sondern das Leben, jede Existenz, spricht auch zu uns. Sprache ist ein ständiges Geben und Nehmen.

Das müde Pferd, das mit letzter Kraft die Kutschte hinter sich her zieht. Bin ich in Wien sehe ich dieses Bild oft. Ich empfinde Mitgefühl und Schmerz. Die Sprache dieses Bildes erreicht mein Herz. Der Obdachlose, der mir einen Haargummi hinhält, weil er meinte ich hätte ihn verloren, erreicht mein Herz. In Gedanken sage ich ihm viele Worte. Es tut mir leid, dass er zu den vielen Menschen gehört, die so viel erzählen und sprechen, aber kaum einer hört sie. Sie haben eine Sprache, säen und säen, aber der Samen zum Guten und Besseren hin, der geht nicht auf. Der Boden ist aus Beton. So, wie immer mehr Flächen zubetoniert und bebaut werden. Über das Leben wird Beton gesät, werden Autobahnen mitten durch Wälder gebaut. Jeder Baum erzählt Unfassbares... Aber dann, da ist da die Blume, die selbst aus einer Mauer herauswächst und aufblüht. Da ist ein Löwenzahn, der aus der kleinsten Ritze am Straßenrand wächst und gedeiht. Das ganze Leben ist ein Vulkan, der zerstören kann, ja töten, aber auch aus dessen Asche wieder neuer Atem entsteht.

Vielleicht erlebt im Lauf seines Lebens jeder Mensch einmal eine Eiszeit. Manche vielleicht öfter und bewusst, andere eher unbewusst, da sie sich im Rad des Alltäglichen befinden und keine Zeit dafür haben, zu reflektieren oder inne zu halten. Überhaupt erst einmal zu verstehen, was geschieht, was für Veränderungen stattfinden. Gerade in den letzten Jahren haben sich viele Menschen zurückgezogen, sind verletzt worden, sind Wunden entstanden oder neu aufgerissen. Worte haben sie verletzt. Manche haben gar an Suizid gedacht oder sogar vollzogen.
Die Sprache...Eiszeit...was für ein Wort, um eine Gefühlswelt darzustellen. Gabriele Springer vermag besonders gut Gefühle auf Leinwand zu bringen. Sie malt ihre Bilder im symbolischen Charakter. Die Psyche ist ihr großes Thema. Innere Prozesse sichtbar zu machen.

Bild: Eiszeit von Gabriele Springer

Nichts könnte verworrener und tiefer aus uns aufstehen, als ein Wort. Wie das Nichtglauben auch ein Glaube ist, so ist auch die Stille, das Ungesagte, etwas Gesprochenes. Manchmal sogar noch lauter, als alles Gesagte. Stumme Schreie bei Mensch, Tier und Natur. Wohl jeder kennt mittlerweile den stummen Schrei eines gequälten Tieres. Dieser Gesichtsausdruck des Schmerzes. Immer geht die Sprache voran. Als Ton, auf Papier, als Gedanke, als Bild, als Traum oder Zahl.

Die Sprache ist unter uns. Als Heilige und als Mörder, gesprochen aus dem Dunkeln über die Zunge hinweg. Nichts kann so verlogen sein, wie das Wort und nichts so wahr. Nichts so berechnend und nichts so unberechenbar. Sie kann lieben und hassen. Wie ein ewiger Kerkermeister kann sie die Wahrheit in Ketten legen, aber auch Gerechtigkeit sprechen. Nichts ist ohne Sprache. Nicht einmal der scheinbar stumme Stein. Alles ist Bild, das Botschaften spricht. So, wie die Nächte, in denen die Künstlerin am liebsten malt.


Die Künstlerin über sich und ihre Kunst:

„Der Mensch interessiert mich am meisten, denn er hat zwei Gesichter. Eins für sich, das Andere für die Außenwelt. Das für „Sich„ ist für mich spannend herauszufinden. Was Sich hinter dem „Sich„ bewegt, gefühlt und gelebt wird.
Sich auseinandersetzen mit der Psyche, der Seele des Menschen. Spannend.
Psyche stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Atem-Hauch“.
Diesen winzigen Atem-Hauch versuche ich in meinen Bildern einzufangen.
Denn die Psyche macht einen Menschen lebendig, unverwechselbar, eigen, anders als andere. Sie umfasst alles, was wir fühlen, was wir denken, was wir wahrnehmen, wie wir es erleben und verarbeiten.
Die Psyche – die Seele – beeinflusst unser ganzes Leben.“

Gabriele Springer

"Malen ... pure Leidenschaft"
Die Nahrung meiner Seele
Meine Sucht
Mein Fieber
Meine Leidenschaft
Meine Bilder sind meine Biographie
Das war so
Das ist so
Und wird auch immer so sein
©️ Gabriele Springer

Hier geht es zur Website der Künstlerin.
https://www.kuenstlerin-gabriele-springer.de/vita/

Alle Rechte der Bilder bei Gabriele Springer.

Ich bedanke mich für den wertvollen Gedankenspaziergang durch ihre Werke und freue mich über eine weitere wunderbare Künstlerin in unserem Kreis der Kunst-Gammler.