Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Das Schnitzel und das Unterbewusstsein

Wie immer hatte er fürs Wochenende eingekauft. Fleisch war auch dabei - Schnitzel genau gesagt. Beim Anblick und dem Gedanken daran, durchströmte ihn ein Glücksgefühl und er stellte sich das knusprige duftende und wohlschmeckende Ergebnis vor. Daheim angekommen legte er das Fleisch zunächst in den Kühlschrank und sich selbst zum Mittagsschlaf. Günstig hatte er es erstanden und gut in Plastik verpackt.

Als er wieder aufwachte, war es bereits später Nachmittag und da es Winter war, wuchs sich draußen schon die Dunkelheit in die Fenster hinein. Zeit das Abendmahl vorzubereiten...das Schnitzel.Er öffnete den Kühlschrank, nahm die Packung mit dem Schnitzel heraus und spülte es unter Wasser kurz ab. Immer machte er das so, beinah schon ewig. Irgendwie meinte er dann wäre es sauberer, das Fleisch. Mit dem Holzklopfer schlug er es platter und größer, aber auch dünner.

Kurzerhand war es paniert und schon lag es auch in der Pfanne.

Mit viel Appetit wartete er unter mehrmaligem Wenden es zu verspeisen, da sah er auf einmal Merkwürdiges an den Rändern. Als wenn von innen irgendwas nach außen presste. Sah aus, wie viele Kaugummiblasen und durch den Bratvorgang bewegte sich das Fleisch etwas.

Ein komischer Gestank kroch heraus, als eine nach der anderen Blase platzte und sich dann ergoss in gelber Brühe...beinah eitrig lief es aus dem Fleisch hinaus in die gut riechende und braune Butter.

Mittlerweile war das Stück Fleisch auch geschrumpft und wenn es vorher noch die Pfanne ausfüllte, so war es jetzt nur noch einen Bruchteil davon groß.

Egal, wie groß, dachte er...aber es scheint wohl schlecht geworden zu sein. Verärgert stach er mit der Wendegabel erneut ins Fleisch, da spritzte klumpiges Blut hinaus.

Spritzte sogar bis in sein Gesicht, traf seine Augen und kleckerte sich an seine Lippen, die im Affekt mit der Zunge gereinigt wurden.

Ihm wurde übel...Um Himmels Willen, dachte er...was ist das?

Er ekelte sich. Es schüttelte ihn...das war zu viel...er hatte dieses eklige Blut in seinen Mund bekommen.

Das Schnitzel, unterdessen er in Panik und Ekel verfiel, flatterte in der Pfanne hin und her. Als wenn es sich immer wieder aufplusterte und in sich zusammen fiel, schien es...es war nicht tot, es war kein Stück Fleisch, kein Etwas - sondern es schien, es lebte immer noch.

Zusammen mit der beinah nun schon schwarzen Butter und der aufgerissenen Kruste formte sich aus dem Schnitzel wie eine Art verkohlte Zunge, die sich hin und her bewegte.

Noch immer den Blutgeschmack in seinem Mund stand er nun auf und mittlerweile kreidebleich geworden, denn er erkannte im Fleisch ...ja, sah darin...spürte und es würgte ihn...das kleine kranke Wesen, dessen Stück er essen wollte. Babys sind das...Kinder...nur eben Tierkinder.

Aus einem der Fettaugen der Butter, gemischt mit dem Eiter und dem Blut, schaute es ihn an...

Er hatte vieles gesehen, wie die Tiere behandelt werden, hatte es irgendwie zur Kenntnis genommen, aber es hatte ihn nicht mehr weiter gekümmert, geschweige denn ihn tief berührt. Sicher wusste er um all das Leid...aber was ginge es ihn denn an?

War es all das Aufgestaute, das es ihm heute heimzahlen wollte, oder hatte er doch vielleicht im Unterbewusstsein Schuld empfunden, die jetzt durch all das hervortrat?

Er ließ die Pfanne mit dem was auch immer darin auskühlen und warf es dann weg, öffnete alle Fenster, um den Geruch herauszubekommen und versuchte nie wieder daran zu denken...doch es gelang ihm nicht...und es verfolgte ihn sein weiteres Leben.

Lotta Blau, 2020