Auszüge aus (Nie) Wieder Finsterland
(...) Was wäre es für eine Welt, würde man mehr schweigen, als zu viele unnötige oder gar gefährliche Worte zu benutzen und wo einmal die Sprache verroht, da nimmt sie alle mit, die darauf warten endlich ihre egomanischen Defizite durch die Erniedrigung anderer aufzupolieren. Wie ein Virus verbreitet sich dann dieses Mobbing, aus dem dann rasch mehr wird und immer weiter alle gesunde Distanz und jeglichen Respekt verliert. So geschieht es im Kleinen, wie auf der Arbeit und so passiert es im Größeren, wie einer Gesellschaft. Nutznießer sind aber jene, die den Anstoß dazu gaben. Das Ergebnis ist erschreckend. Dieses Virus, das alle demokratischen Errungenschaften tötet, ja gezielt darauf programmiert ist, hatte sich mittlerweile Europaweit, ja sogar beinah über fast alle Kontinente ausgebreitet. Der Nationalismus ist die Wurzel allen Übels. Durch ihn wurden alle Schandtaten der Geschichte erst möglich.
Ludwig sprang wieder in eine Gedankenschlaufe...die einfach nicht aufhören wollte, weil es im Grunde nicht zu begreifen war, was politisch geschah. (...)
Wieso hatte kaum einer reagiert, als die erneute Welle das einstige Furchtbare aus den Gräbern holte und zur Lawine wurde? Schon so oft hatte er sich das gefragt. Später war es zu spät. Die, die reagierten hatte man diffamiert und sogar kriminalisiert. Zunächst waren es nur Schatten, die alles unterwanderten. Immer weiter, immer mehr. Waffen verschwanden aus der Bundeswehr, die nicht mehr auffindbar waren. Die Büchse der Pandora wurde Stück für Stück geöffnet. Das Internet durfte offen hassen und mit ihm jene, die nur darauf warteten die Regierung zu stürzen und die Macht zu übernehmen. Die Schlachten der Macht hatten sich aus der Realität in das Netzwerk einer unsichtbaren Spinne verschoben.(...)
Man tötete quasi mit Worten, die Macht hatten.(...)
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(...)Eine Fliege setzte sich auf seine Hand. Früher erschlug er sie alle. Er war gut darin. Jetzt bedeutete ihm diese Fliege eine Berührung, über die er beinah zärtliches Freuen hatte. Wie sanft und weich sie auf seiner Haut saß. Diese kurzen Momente. Er spürte so was wie Glück und kam sich direkt albern vor.
Von der Ferne hörte er die Glocken der Pfarrkirche St. Cäcilia in Benrath. Oder war es Einbildung? Schwarze Madonna, hinter deinem Glas, dachte er...Hilf! Noch nie tat er das...Gott...was sollte das schon sein? Dennoch sollte doch jeder in Frieden an was auch immer glauben. Letztendlich ist ja alles ein Glaube, ob man nun daran glaubt glücklich oder alt zu werden. Der Glaube beginnt mit dem morgendlichen Aufstehen und endet damit zu glauben am nächsten Morgen noch zu leben. Wie arm wäre es nicht daran zu glauben. Jeder würde sich abends schlafen legen mit dem Gedanken am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen. Allerdings, dachte Ludwig, es ist schon ein Wagnis sich die eigene und der anderen Sterblichkeit immer wieder neu ins Gedächtnis zu rufen. Aber schlafen gehen wollte er dann doch eher ohne dieses Bewusstsein.
Der Mensch lebt sowieso in einem Traum, schrieb er einmal in einem Gedicht und wenn er aufwacht, dann zieht ihm die Welt den Boden unter den Füßen weg, denn dann ist alles nackt und keine Seele mehr hinter Masken versteckt. Jedem Menschen wurde zwar das Leben geschenkt, ob er es wollte oder nicht, aber ab dem Zeitpunkt des Entstehens wurde jeder mit dem Zustand der Welt konfrontiert. Später wurde ihm klar, dass er als Mensch alles mittragen musste, was bis dahin passierte und wohin sich die Menschheit entwickelt hatte. Keine Schuldgefühle. Nein, nein. Oder doch? Ludwig ertappte sich manchmal dabei, dass er sich fremdschämte und das hatte ja auch was mit Schuld zu tun. Zumindest empfand er es so. Wer hatte nicht schon einmal den Wunsch gehabt, man möge das Rad der Geschichte rückwärts drehen, um alles Unrecht zu korrigieren? Es war ein verlockendere Gedanke- Man müsste das Rad bis zum Beginn der Menschheitsgeschichte drehen. Durch alle Jahrhunderte durch und noch einmal ganz neu beginnen. Anderes müsste den Menschen prägen, als Geld, Gier und Hass. Bei allem kam es ja immer darauf an, wie man etwas nutzte. Vielleicht hätten sich viele Erfindungen gar nicht erst erfinden brauchen, die später ganze Völker dahinrafften. Keine Giftgase, keine Waffen. Gäbe es in der neuen Welt überhaupt Profit? Man stelle sich das einmal vor, was der Mensch für Chancen hatte eine gute Zukunft zu zimmern.
Doch wohin war die Welt geraten? Und was, wenn es dann noch schlimmer ausgehen würde, als es ohnehin schon geschehen war? Wenn plötzlich alles Verborgene für jeden sichtbar werden würde? Jede Tat sich aus seinen Untergründen nach oben spülen würde? Ein abstruses Gedankenspiel, welches Ludwig da betrieb, das aber aus seiner Sehnsucht nach Ruhe und Frieden entsprang und sich seiner Sorgen bediente. Die Menschheit hat ihre Chance verpatzt. Trotzdem es Schönes und Gutes gab. Trotz aller Liebenden. So viel hatte man in den Jahrtausenden über die Liebe geschrieben, sie beschworen, sie gelebt und sie geliebt. Ja, man liebte die Liebe und klammerte sich an sie. Die Realität war eine andere. Es drehte sich alles nur noch um Rohstoffe, um Machterhalt oder an diese zu kommen und sie gegen andere auszuspielen. Beinah schien es als quollen aus allen Ecken und Kanten alle Lügen, jede Täuschung hervor. Es war schwer sich seine schönen Träume einer besseren Welt noch zu erhalten, denn man hätte doch lernen können, man hätte aufhören können das Schändliche weiterzutreiben. (...)
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Wie kostbar doch die Freiheit war, die er wohl viel zu wenig als jenes geschätzt hatte. Wie selbstverständlich nahm er sie hin, als könnte nichts und niemand sie ihm je rauben. Alle nahmen sie einfach so hin, wie die Luft zum Atmen. Es schien die Menschen waren so gefangen im Alltagstrott, dass sie zu tun hatten in ihrem Hamsterrad nicht zu stürzen, während sie es unaufhörlich drehten. Wie armselig, dachte er und naiv, so zu denken.Aber galt es denn als Freiheit ständig darum zu fürchten. Es würde ja permanente Angst bedeuten. Sperrte man sie denn dann nicht selbst in einen Käfig?
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