Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Das Bärenmädchen

Vor langer, langer Zeit streifte eine Bärin durch die Wälder, um Futter zu suchen, dabei fand sie ein kleines Mädchen weinend am Waldrand sitzen. Niemand war weit und breit zu sehen.

Die Bärin nahm sich dem Mädchen an und zog es auf. Sehr gescheit und lieb wuchs das Kind im Wald mit den anderen Bewohnern auf. Als die Bärin Junge bekam freute sich das Mädchen sehr und hatte sie lieb, wie Geschwisterkinder. Es kannte ja nichts anderes...Menschen hatte es nie gesehen. Diese Welt war dem Kind fremd.

So verging ein Jahr und noch ein Jahr. Prächtig entwickelte sich die Kleine und auch die Bärenkinder wurden immer größer.

Eines Tages sagte die Bärenmutter zu dem Mädchen:

Mein Kind ich habe lange gezögert doch ich werde immer älter. Also habe ich beschlossen dir zu sagen, dass es an der Zeit ist, dass du dir deinen eigenen Weg suchst. Es gibt eine Welt- in der bist du eigentlich geboren und daheim. Dort schau dich um und finde dein Glück. Es sind die Menschen...auch du bist einer von ihnen. Deine Geschwister gehen ebenso ihren Weg und entfernen sich von mir. Ich ziehe mich in meine Höhle zurück, um meine Augen zu schließen.Ich spüre es steht bevor. Vergiss nie...ich liebe dich über alles und bin weiter in deinem Herzen.Nun geh...da umarmte das Kind die Bärin und wollte nicht gehen. Da weinten sie und dann stieß die Bärin das Menschenkind von sich.

Geh, sagte sie...mach es nicht so schwer. Wenn du nicht glücklich wirst in deiner eigentlichen Welt, dann komm zurück. Ich werde zwar nicht mehr da sein, aber alle anderen Freunde. Sie helfen dir dann.

Dann drehte sich die Bärin um und lief weg.

Das Mädchen wusste nichts mit all dem anzufangen und wo sollte sie denn hingehen? Sie verstand nichts und lief dann einfach irgendwie los.

Nach einem langen Weg sah sie ein Dorf und ging darauf zu. Es machte etwas furchtbaren Krach und hätte sie beinah umgefahren. Es war ein Auto. Die Fahrerin hielt an und stieg aus.

Kannst du nicht aufpassen?, sagte sie zum Mädchen. Was läufst du hier so ohne Schuhe und Jacke im Herbst herum? Wo kommst du überhaupt her? Und wo willst du hin?

Die Dame schien entsetzt über das Aussehen des Kindes und rümpfte sich die Nase.

Kannst du nicht sprechen? und sah dem Mädchen fordernd in die Augen.

Das Mädchen verstand nicht und konnte auch die Menschensprache nicht. Es hatte das ja alles nie gelernt, sondern nur die Sprache des Waldes und der Tiere.

Die Dame setzte das Kind auf ihren Beifahrersitz, schnallte es an und fuhr mit ihm zur nächsten Wachstation. Dort stellte sie das Kind hin und sagte: Lief am Wald herum und wusste nicht wohin. Spricht kein Wort und ich glaube, sie versteht auch nichts.

Der Kommissar sah sich die Kleine argwöhnisch an. Komm, sagte er...wir geben jetzt mal eine Durchsage und ich schreib ein Protokoll. Setze dich dort hinten hin..auf den Stuhl.

Niemand meldete sich aber und so rief der Kommissar das nächste Kinderheim an, damit sie das Mädchen solange in Obhut nehmen würden.

So geschah es auch.

Für das Kind war das alles sehr verwirrend und beängstigend. Alles war ungeheuer befremdend und anstrengend. Auch fühlte es sich furchtbar eingeengt und kam mit den Tagesabläufen und den Gewohnheiten der Menschen nicht zurecht. Ihre Werte, die sie verteidigten...ihre Gegenstände von denen manche sogar angehimmelt wurden, wie sie untereinander und übereinander sprachen, das Essen und die Kleider,...und manchmal sah sie andere Kinder aber auch Erwachsene Tiere schlecht behandeln. Aber andere waren lieb zu den kleinen Hasen im Stall und den Ponys.

Abgerissene Blumen und sterile Wiesen auf den Zentimeter genau gekürzt...umzäunten das Kinderheim. All das war nicht des Bärenmädchens Welt. Nie und nimmer konnte sie sich hier wohl fühlen und wurde traurig.

Eines Tages lief es ohne Schuhe und ohne Jacke in den Wald zurück. Es bemerkte auch niemand gleich und so konnte das Bärenmädchen Ausschau halten nach anderen Tieren..sie rief und es kamen ihre Geschwister.

Bitte helft mir, sagte das Mädchen zu ihnen. Hier bin ich daheim und nicht dort...bei euch ...meiner Familie und meinen Freunden. Auch wenn ich nicht wie ihr bin, so bin ich es nur äußerlich....im Herzen bin ich ein Kind des Waldes. Hier bin ich, wie ich sein will und wie es für mich richtig ist...ich will verbunden und in Respekt und Liebe mit den anderen leben und ehrlich sein zu allem. Ich will nicht lügen müssen, weil ich Angst habe, sonst bestraft zu werden, wenn ich ehrlich sage, was ich denke. Aber vor allem finde ich hier wirkliche und tiefe Liebe. Sie benötigt keine Strafen, keine Ängste, kein Verbiegen, damit man geliebt wird. Sie braucht auch keine Vasen mit abgerissenen Blumenköpfen, sondern gedeiht mit dem Wasser der Weisheit durch das was Leben ist. Bitte...nehmt mich wieder auf.

Mittlerweile hatten sich die meisten Tiere um das Mädchen und die zwei kleinen Bären versammelt. Alles hatten sie gehört und hatten doch längst ihre Meinung gebildet.

So bleib...sagten sie zu dem Bärenmädchen. Es war wichtig, dass du siehst und vergleichen kannst...und du spürst wohin du gehörst und für was und wen dein Herz schlägt, denn sonst hättest du dich eines Tages gewundert und dich betrogen gefühlt. Du bist zwar ein Mensch, doch bist du anders als sie und unser würdig. Darum bleib bei uns und lebe wieder hier.

Das Mädchen hatte viel gelernt bei den Menschen. Auch, wie dort mit den Tieren und der Welt überhaupt umgegangen wird.

Einige Jahre später, es war nun erwachsen, wollte sie es noch einmal wagen und nahm Kontakt zu den Menschen auf. Sie setzte sich oft auf eine Wiese, wo sie Picknick machten und beobachtete sie. So lernte sie ihre Sprache und studierte ihre Gewohnheiten.

Dann, ein paar Jahre später, war es so weit.Sie stand auf und ging zu den Menschen auf der Wiese. Sie sprach zwar noch etwas seltsam, doch man verstand sie.

So knüpfte sie Freundschaften und abends ging jeder seiner Weg. Sie ging zurück in den Wald und die Menschen in ihr Dorf oder die Stadt.

Viel erzählte sie den Menschen vom Leben im Wald und die Menschen erzählten von sich.

So kam es, dass sie sich gegenseitig an die Hand nahmen und das Mädchen die Menschen mitnahm in den Wald und ihnen alles Schöne und Wertvolle zeigte und die Menschen luden sie ein, auch sie zu besuchen.

Sie begannen gegenseitig zu verstehen und bald schon bildeten sich Gruppen von interessierten Menschen, die vom Bärenmädchen durch den Wald geführt werden wollten.

Da erzählte ihr der eine Mensch, er würde nun viele Bäume pflanzen und der andere dachte darüber nach, was er für die Bienen tun könnte und so weiter.

So wuchs zusammen was Mensch und Tier und Leben ist.

Das Bärenmädchen aber blieb was es war - ein Bärenmädchen eben, das mit den Tieren im Wald lebte.

Lotta Blau

Bild:free