Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Irgendwo ist alles still, mein Sternenvogel

Ach, weiß jemand wo dieses Nirgendwo anfängt, wo es aufhört? Wo ist das Irgendwo das sich durch die Glockenschläge der Turmuhr hinaus trägt in das Morgen? Ich liebe diese Stunden, die keinen Anfang und kein Ende haben, die einfach nur da sind. Ich liebe diese Momente, die einsam sind. In denen sich der Wind durch die Bäume wiegt und man die Landschaft nur als ein tief in sich ruhendes Bild sieht. Es ist nur ein scheuer Moment, der in einsamer Stille
die Abende von den Nächten trennt. Dann, wenn alles Leben eintaucht in einen schweigenden Mantel. So einsam vor lauter stillen Gedanken. Momente, die in tiefer Einsamkeit nur sich selber treffen und dadurch so fein und voller neuer Kraft sind. In diesen Stunden lebt man durch sein eigenes Universum hindurch. Man durchreist seine Seele. Aller Kosmos liegt in unserem Herzen. Man taucht bis auf den Grund seiner Selbst und erkennt diese Weite eines Seelenmeeres. Diese tiefe Stille ist wie ein einsamer Vogel, der den Sternenhimmel mit seinen Schwingen umhüllt. Einsam sein...einsam sein heißt mit sich selber sein, heißt diese Verbundenheit mit allem, was ist, zu spüren -heißt auch sich selber verstehen und erkennen zu lernen. Nur, wenn man es schafft, ganz hinab zu tauchen, in sich selber,... bis auf den Grund seiner Selbst zu tauchen, dann ist man ein Stück weiser...und plötzlich versteht man. Von diesem Grund kommend packt man den Sternenvogel, hält sich an ihm fest und erlebt was es heißt zu leben.
Ach du, meine Stille, du,... meine Einsamkeit, du...nichts ist kostbarer, als du, mein stilles, weites und tiefes Meer.


Bild:free


Deine Spuren

Wie gerne würde ich statt Bittermantel doch lieber nur sagen: Jeder ist ganz und gar, doch entspricht das nicht dem Wahren. Ja, du siehst und lebst es, wie jeder...das Bittermantel-Leben und das Schlafen, Träumen und vielleicht irgendwann Erwachen. Oder sind wir es schon? Erwacht. Die Tage sind manchmal wie tiefste dunkle Nächte, ohne auch nur eine Ahnung zu sehen, vom Licht im Leben und Sterben über uns.

Bitter löst sich dieses Spüren und spült sich hinaus in den Regen, von dort in die Bäche und dann in die Flüsse bis zu den Meeren, die das Bitter an die Wüstenränder singen. Hinter denen entkernen sich die Keime...ja, aus den Toten erwacht das Leben. Die schönsten Oasen beginnen in Adern zu blühen.

Lianen durchwachsen unsere inneren Bilder. Deren Licht und Schatten allen Staub einfangen.Jeder atmet jeden und ALLES. Alles, was Leben bedeutet, also auch die Liebe. Manchmal nur findet der Staub keinen Halt. Dann fehlt die innere Mitte, die Einhalt gebietet. Die spricht, wie ein unfertiges Buch, das nach Worten ruft. Nach Fragen und Antworten.

Ich sehe dich...auf dem Dünenkamm entlang gehen. Deine Spuren wandern in meine Sinne und meine Sprache, die daraus ihre Rufe formt. Dann regnet es Sonnen und du beginnst zu scheinen, wie ein Feuerball hinter all der Realität. Schmerzlos, weil das Feuer in ihren Beginn eintaucht. Zart und schmelzend, wie nur eine einzige Schneeflocke. Lichtschimmernd.

Jetzt weiß ich...wenn ich an meinen Fenstern die Gebilde sehe, die sich daran niederließen...Du bist...ich sehe dich...ummantelt aller Reisen in dir, die dich doch nur zu dir führen können.

2020





Der kleine Kutter und das Meer

Hamburg ist jetzt still. Es dämmert. Der kleine Kutter, mit dem ich noch eine Hafenrundfahrt unternommen hatte, liegt schaukelnd an seinem Seil. Hafenrundfahrten liebe ich. So eine Fahrt ist immer wieder anders. Selbst, wenn man sie immer und immer wieder mitfährt. Was für ein Gefühl, wenn sich dieses kleine Schiff den Wellen hingibt und sich das Wasser an den kleinen Luken vorbeischält, wenn der Geruch des Wassers die weite Welt anpreist. Oder das kleine Boot sich in die Wellen hineinschaukelt. Manchmal spritzt das Wasser hinein in die Luke. Die Möwen fliegen kreischend über den Schiffen oder Booten und das Wasser- es riecht nach Fernweh. Ich weiß nicht mehr so genau, wieso mir in diesem Moment ausgerechnet Erika und Klaus Mann auf ihrer Fahrt nach Amerika einfiel. In mir flackerten plötzlich Namen wie Annemarie Schwarzenbach und Stefan Zweig auf. Annemarie, die in ihren Reiseberichten geehrt und geachtet wurde, jedoch in ihrer Prosa bitterlich niedergeschmettert blieb. Ich las sie gerne und war neugierig auf ihre ganzen Verpflechtungen mit den Manns. Insbesondere zu Erika, aber auch Therese Giese und Klaus. „Das Leben zerfetzt sich mir in tausend Stücke“. So muß es auch in Stefan Zweig ausgesehen haben, in all seinen inneren Flüchten, seiner verständlichen Angst. Zweig, dessen Bücher ich verschlang. In mir klingt dieser schmerzliche Ruf aus dem Schweren heraus nach der Leichte und dem Loslassen von ihm - weiter in den Blick durch die sich schüttelnden Wellen. Manche Rufe sind so dunkelblaugrau vom Grünen besät in ihren Sehnsüchten. Ich hatte plötzlich das Gefühl sie reihten sich alle aneinander in ihren Sehnsüchten und dieser Schwere. Da umrandet so viel Schmerzliches und Ungehörtes, oft Vergessenes das Blau der darübergewachsenen Jahre und Jahrzehnte. Wegtreibend das Dunkle, was gewesen ist, doch es umrundet immer weiter das schöne Blau der Himmel. Ich löse diesen Strudel der Gedanken an die Schriftsteller von mir.  Das Abendrot zieht sich durch die Stunde.  
Wenn ich weit hinaus seh, dann ist da nur das Meer und ich, meine Sehnsucht nach der Ferne und meine Liebe.
Jetzt, da es dämmert, liegt das Meer in seichter Stille, nur manchmal bäumt es sich leise auf in seiner dunklen, bläulich-grün-schwarzen Farbe. Je nachdem, wie nun das Licht von den Laternen der Promenade einfällt. Mir fallen die zwei kleinen Lampen ein, im Stil der früheren Gas- bzw. Öllampen auf der Fahrt durch den Hafen, die über einem alten Schild hingen auf dem HAMBURG stand.
Der Kapitän des kleinen Kutters, der die ganze Zeit über erzählt hatte und zwischendurch zur Belustigung aller Gäste Seemannslieder trällerte, war in den Abend hineingegangen. Hamburg hat sich im Glanz seiner Lichter und im Blick der mächtigen Schiffe zur Ruhe gelegt. Wie schön dieses Hamburg ist und doch stören mich diese neuen Gebäude, am Hafen. Früher waren das die alten Speicher. Sie wurden zum Teil abgerissen und an Stelle dessen baute man neue Häuser, im Stile neuer Architektur. Das paßt nicht und nimmt den schönen, melancholischen Anblick dieser Seite der Speicher weg. Zum Glück hat man es wohl selbst bemerkt und stoppte den Abriß der alten Gebäude.
Die Möwen sind still, kein Mensch mehr auf der Promenade. Hier, wo sich das Leben abspielte, wo die Abenteuerlust einen überkam, wo das Fernweh sich mit den ausfahrenden Schiffen an Bord stahl, hier ist jetzt alles ruhig und ein seltsames Gefühl überkommt mich.
Für einen Moment, in Gedanken auf der Fahrt in die weite Welt, auf einen der grossen Schiffe, bin ich glücklich. Irgendwohin.

Bild und Text


Ungeborene



Wir haben Ruinen in uns und treiben die Brücken auseinander. Wir stellen unseren Sonnen faulige Spiegel in den Weg. Verkaufen diese Bildnisse überteuert und preisen sie als Werbung des großen Wir. Die Fäulnis riecht übel. Jeder kann es riechen und doch will es keiner zeigen.



Wir sind noch immer Ungeborene und verharren eingerollt im All unserer Köpfe. Unsere Hände versuchen das Schöne zu greifen und halten inne. Unsere Beine haben sich auf den Wegen verfangen und sind gefallen. Wir kriechen auf dem Leim der falschen Propheten und danken noch dafür.

Manchmal erinnern wir uns. Eine Wolke, ein Tier, ein zärtliches Laubwehen, ein Dorn im Wort. Dann entdecken wir ein schäumendes Sandgefüge in uns, das seine Körner zu den Stürmen treibt. Bis zu verbliebenen Oasen einer tief empfundenen Freude. Dann bleibt nur dieses tiefe Liebende in uns. Vielleicht einen Nanomoment ist das Gefüge in uns unscheinbar geworden und der Spiegel wird ein Übergang. Hinaus aus den Mühlen und hin zum Lauschen des Meeres in uns. Als könnten wir Weltenwechsler sein. 

Lotta Blau, 2020