Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Architektur, Hundertwasser und gekrümmte Linien

Als ich neulich einem Maler, wir kennen uns nun auch schon Jahre, davon berichtete, dass ich mich intensiver als sonst mit Hundertwasser beschäftige, riet er mir, mich nicht zu sehr beeinflussen zu lassen von ihm.
Ich verstand ihn sofort und weiß ja, dass er meine Malerei und auch meine Grafiken sehr schätzt. Bei den Grafiken faszinieren ihn immer die Formen und Farben. Einmal fragte er mich, wann ich das Bild „ Sturm“ gemalt hätte- in welcher Lebenslage... Ich antwortete: in einer ganz normalen. Ich habe es einfach gemalt, weil ich einen Baum im Sturm sehr schön finde. Mir war klar, wie schnell Außenstehende Werke falsch verstehen können, sei es die Malerei, die Wissenschaft, die Literatur... Manchmal frage ich mich, wie viele Schriftsteller wohl falsch verstanden werden, die sich nicht mehr wehren können, weil sie verstorben sind.

Während ich dies hier schreibe, fällt mir Mondrain ein.
Mondrian malte immer wieder Bäume. Er fühlte sich u.a. zu Picasso hingezogen. Picasso ist für mich weniger interessant, zumal ich seine Einstellung zum Stierkampf verabscheue. Aber auch er hat bedeutende Werke gemalt. Auch Beuys arbeitete mit toten Tieren. Dies sind Werke von ihm, die ich ablehne.
Mondrian sagte: „Die neue Gestaltung erschließt, was die Wissenschaft entdeckt hat: dass Zeit und subjektives Sehen die wahre Wirklichkeit verschleiern.“
Immer wieder wird mir klar, dass man tief eindringen muss in Schaffende, um wirklich zu ergründen. Das es nicht reicht, Klischees anzuwenden und oberflächlich vielleicht mal eine Biografie liest, um dann eine Meinung zu haben oder zu schreiben. Mit voreiligen Schlüssen nämlich, schadet man mehr als man nützt. Alles ist ergründen und kombinieren. Immer wieder trifft man auch auf das Vorurteil Wissenschaft schließe die Kunst aus und andersherum, ja regelrechte Kämpfe dagegen habe ich schon erlebt. Dies kommt aber nur daher, dass keiner von beiden sich mit dem jeweils anderen beschäftigt. Nehmen wir z. B. die Stringtheorie. Sie kann man z. B. durchaus mit der Musik verbinden, bzw. mit den Saiten eines Instrumentes. Wieso? Wenn Sie das wissen wollen, beschäftigen Sie sich doch einmal damit...

Und wieso plötzlich Hundertwasser? Klee, Schiele, Klimt, Beuys, Nolde, Chagall und so weiter, sie alle beschäftigten mich. Aber Hundertwasser hat nicht nur gemalt, nein auch seine Architektur ist es wert, sich damit zu beschäftigen. Das geht nicht, wenn man den Sinn und den Grund nicht kennt. Architektur und Malerei - er hat eine Verbindung geschaffen. Hundertwasser wollte etwas durchbrechen, wollte hinweisen, dass der Mensch sich selbst schadet mit seinem immer perfektem Denken, dass stets ausgerichtet ist auf Vollkommenheit. Wohnen ist Erleben und der Mieter hat Rechte, die ihm sonst verloren sind. Rechte haben auch die Kinder, Rechte auf Farben und spielen, auf Abenteuer selbst im Wohnen. All dies hat Hundertwasser einbezogen und ich muss sagen, dass man davon viel lernen kann. Betrachtet man seine Spiralkunst und das kann man nur, wenn man sich mit seinem Denken auseinandersetzt, dann sieht man plötzlich die Parallele zu seinen Modellen in der Baukunst. Ich meine, man sollte einmal fern von Klischees und Psychologie hineinsehen, die letztere hat ihn übrigens erst darauf gebracht mit Spiralen zu arbeiten! Nachdem er nämlich den Film "Bilder des Wahnsinns“ gesehen hatte, war ihm klar, dass Spiralen sein Denken berührten.
Man findet alle seine Worte in den Bildern wieder. Selbst sagte er, dass die Spirale für ihn ein Symbol des Lebens sei. Dies wiederum kann man mit seiner Ansicht der fünf Häute, die jeder Mensch, seiner Meinung nach um sich trägt, in Bezug setzen.
Die erste Haut: die natürliche Haut, die zweite: die Kleidung, die dritte: Das Haus, die vierte: das soziale Umfeld und die Identität und die fünfte Haut: Das globale Umfeld, also das ökologische.
Dies war verbindend für ihn. Er glaubte fest daran, dass eine falsche Wohnweise krank machen kann, sowohl seelisch als auch körperlich.
Natürlich sehe ich es anders, wenn er meinte: „ Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch“. In ihr wohne die hirnlose Massenameise.
Zumal ich die Geometrie liebe. Und Geometrie durchdringt alles. Aber ich will auch hier zu Hundertwasser eine Parallele ziehen, nämlich dass ja auch die gekrümmte Linie, nicht zuletzt in der Relativitätstheorie ihren festen Platz hat.Gekrümmte Räume und seine Architektur kann man ebenso miteinander verbinden. Vielleicht ist es das, was mich so fasziniert.  Durchdrungen durch viele Ebenen. Wenn es regnet, sei er glücklich, so der Maler, dann könne er arbeiten. „ An einem Regentag beginnen die Farben zu leuchten...“
Er sieht also, obwohl es regnet, noch etwas Wunderbares und empfindet Glück dabei. Wasser hatte Zeit seines Lebens einen besonderen Platz für ihn. Die Natur, die liebte er und er bedauerte die Produktion des Unnatürlichen unserer Tage.
„ Wenn ich male, träume ich...“
Sein Schiff nannte er „ Regentag“. Mit an Bord waren ein schwarzer Hund und eine schwarze Katze. Dieses Schiff hatte ganze 60 Jahre Salz und Sand zwischen Afrika und Frankreich hin und her transportiert.

Wer aber war Hundertwasser? Hundertwasser muss man verstehen lernen. Man muss begreifen, was er wollte, was er anstrebte. Für mich gehört seine Malerei und seine Architektur zusammen.
Vieles an ihm war Metapher. Sein Name, sein Schiff, und auch seine Kleidung, allem voran sein Hut, der für die Kuppel steht und nicht weiter bedeuten sollte als: Jeder Mensch, bzw. Mieter hat das Recht wie ein König zu wohnen. Man kann das auf die Kuppelbauten und Schlösser beziehen, in denen nur die Obrigkeiten wohnten, nicht aber der Untertan. Hundertwasser, eigentlich Stowasser, wurde am 15. 12. 19 28 in Wien geboren.
Sein Vater, Ingenieur, starb kurz nach seiner Geburt nach einer Blinddarmoperation. Seine Mutter war Bankangestellte. So war er oft alleine und schon mit fünf Jahren fing er an zu zeichnen. Später besuchte er die antiautoritäre Montessori - Schule, die er aber nach einem Jahr wieder verlassen musste, da sie doch
relativ teuer war. Er musste eine der üblichen Schulen besuchen. Er war unter anderem von Klee, Klimt und Schiele beeinflusst.
1958 verliest er das „Verschimmelungsmanifest“ und richtete sich damit gegen den Rationalismus in der Architektur.
Er trägt zwei verschiedene Socken, um damit die Individualität und Asymmetrie des Menschen zu zeigen. Wobei ich letzteres, nämlich die Asymmetrie nicht nachempfinden kann. Auch nicht anatomisch.
19 59 gründet er zusammen mit Ernst Fuchs und Arnulf Tainer eine universelle Akademie aller kreativen Richtungen.
Als er 19 61 Japan besucht, hatte er große Erfolge. Nur vier Jahre sollte seine Ehe mit Yuko Ikewada dauern, die er in Japan kennenlernte.

„Baummieter“ nannte er Bäume, die aus den Fenstern seiner Häuser wachsen sollten. Diese „Baummieter“ sollten nicht nur ein Recht haben, sondern auch natürlich Miete zahlen, indem sie für den Menschen bzw. ja Mieter nützliche Dinge vollbringen, wie etwa Schatten spenden, Sauerstoff produzieren und Vögeln einen Unterschlupf bieten.Darum : „BaumMIETER“
Er schuf das „Fensterrecht“ und prägte das Wort “Fensterdiktatur“. Häuser bestehen nicht aus Mauern, sagte er, sondern aus Fenstern. „Fenster müssen tanzen können...“ Fenster in Reih und Glied waren für ihn traurig und strahlten eine Apartheid aus. Er aber wollte keine Fensterdiktatur, sondern Individualität. Individualität für jeden einzelnen Menschen. Hundertwasser entwarf aber auch Briefmarken, Flaggen, ja sogar Autokennzeichen.
Bis jetzt gibt es 17 realisierte Hundertwasser - Projekte. Vielleicht bin ich aber da auch nicht auf dem neuesten Stand. Möglich, dass in den neuen Bundesländern auch schon Gebäude nach seinen Ideen entstanden.
17 Gebäude, darunter auch eine Kindertagesstätte, eine Station für Onkologie in Graz, eine Kirche, ein Museum in Österreich, ein Getreidesilo, zwei Fabriken, ein Autobahnrasthaus in Bad Fischau, ein Fernwärmewerk, eine Hotel- und Thermenanlage und natürlich Wohnhäuser.
So wie es einen Einsteinturm gibt, so gibt es ein Hundertwasser Haus.Und zwar in Wien.
Seine Segelfahrt 19 68 mit der „Regentag“ wurde Stoff des Filmes von P. Schamoni: „Hundertwasser-Regentag“

Als 19 85 die Zusammenarbeit mit dem Architekten Peter Pelikan beginnt, arbeitet er das ganze Jahr auf der Baustelle des Hundertwasser-Hauses. 70 000 Besucher kommen am „Tag der offenen Tür“.

1988 leitet Hundertwasser einen Kurs über natur gerechte Architektur an der Sommerakademie in Salzburg.
Aber nicht nur Säulen und Keramik, sogar der Boden war ausschlaggebend. So meinte er, dass ein belebter, unebener Boden eine Wiedergewinnung der Menschenwürde bedeuten würde. Im unebenen Boden sah er eine Art Symphonie. Eine Melodie der Füße.
Verlernt der Mensch aber zu erleben, zu spüren, wird er seelisch krank.
Hatte er da so Unrecht? Ich denke nein. Ob unebener Boden ja oder nein, aber der Kerngedanke ist sicher richtig.
„ Das Nervensystem der Augen nimmt die unendlichen vielen geraden Linien als akute Gefahr wahr.“ So Hundertwasser.19 90 sagte er: „ Es gibt keine Missstände der Natur, es gibt nur Missstände des Menschen.“ Hiermit erklärt er den immer fatalen Eingriff des Menschen in die Natur. Egal ob die Bachregulierung, der Fluss oder der Sumpf. Es scheint - er hat einfach über alles nachgedacht. Hundertwasser also auch ein Philosoph, und zwar einer, der mir behagt, denn er dachte unabhängig, ohne Worte nachzukauen.

Man kann ihn mögen, ihn nicht mögen, aber man lernt auf jeden Fall etwas hinzu, wenn man sich mit ihm beschäftigt. Alles in einem kann man sagen, dass er etwas verändern wollte, was ihm tief im Inneren entgegensprang und was er verabscheute. Nämlich das Massendenken.

„Jeder Regentropfen ist ein Kuss vom Himmel.“

Hundertwasser, gestorben am 19.02.2000

Lotta Blau, 2005

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Hundertwasser... das Leben ein versuchter Traum

Hundertwasser, geboren am 15.12.1928 in Wien, dessen Geburtsname Friedrich Stowasser lautete, entwickelte im Laufe seines künstlerisches Schaffens seine Lebensphilosophie, die stark geprägt war vom Individualismus.

„ Was jetzt getan wird, ist nicht mehr Kunst im alten Sinne, sondern vielmehr eine gewisse Verantwortung, die einige Leute auf sich nehmen, um die anderen auf riesige Gefahren aufmerksam zu machen. So zum Beispiel die Gefahr der Kollektivierung, die sich des Standards und der geraden Linie bedient.“

Nicht das Ganze, das Große, was sich überschwappt über das Einzelne, sondern ihn zog es zur Einfachheit jedes Einzelnen, zur individuellen Entwicklung.

„ Was ist ein Massenprodukt? Nichts, gar nichts!

Es dient zwar irgendeinem Zweck, ist aber ein totes Ding. Zu leben fängt es erst an, wenn man es angreift, wenn man es abnutzt, wenn die Hose eine Beule kriegt und der Kühlschrank, mein Kleid, mein Löffel. Vorher wusste man es nicht. Also weg mit dieser falschen Achtung vor dem Massengebrauchsartikel.“

Sein Denken und seine Kunst waren geprägt von Geometrie, von Dimensionen, von Spiralen. Gerade Linien verdammte er. Gottlos, so nannte er gerade Linien. Sie kämen in der Natur nicht vor, seien darum unnatürlich.

Spiralen waren die Säulen seiner Philosophie. Hundertwasser liebte seine Spiralwelt. Spiralen faszinierten ihn, also lehnte er seine Malerei an dieses Empfinden an. Doch schauen wir uns einmal um. Spiralen finden sich überall. Sei es im Makro, oder auch Mikro. Viele Galaxien sind spiralförmig, schwarze Löcher können spiralförmig werden und sie rotieren sogar, unsere Doppelhelix ist eine Spirale. Sehen Sie sich in der Tierwelt um. Das Haus einer Schnecke ist eine Spirale... es gäbe noch viele Beispiele zu nennen. Stellt sich die Frage, ob Spirale eine Urform ist? Eine Schnecke trägt in ihrem Häuschen alle lebensnotwendigen Organe mit sich. Sie kommt schon mit diesem kleinen Haus zur Welt und genauso, wie sie selbst wächst, wächst auch ihr Haus. Ein kleines Wunderwerk der Natur also. Allein in dieser Schnecke sind so viele Informationen programmiert, dass eine Entschlüsselung wie ein kleines eigenes Universum erscheint. Diese Informationen jedes einzelnen Gens können sich verändern und können sich je nach Kapazität weiterentwickeln, oder aber sie sterben aus. Sprich also, das Überleben eines Lebewesens hängt von der Anpassung an veränderte Lebensumstände ab und davon, wie schnell es jener Organismus schafft, sein Verhalten anzupassen. Dieses Anpassen ist eine Umprogrammierung.

Zikaden setzen gezielt Informationen in Form von Klopfzeichen auf Pflanzen ab. Die Pflanze speichert diese und nur eine andere Zikade kann jene Klopfzeichen „entschlüsseln und lesen“. Wenn man es so sehen will, könnte man meinen das diese Insekten Pflanzen als Festplatte benutzen und programmieren.

Gezielte Informationen findet man in Hundertwassers Kunst. Ob in seiner Architektur oder seinen Bildern.

So zum Beispiel seine Ansichten, dass jeden Menschen fünf Häute umgeben würden.

Die erste Haut sei die natürliche.

Die zweite Haut sei die Kleidung.

Drittens das Haus des Menschen.

Die Vierte das soziale Umfeld und die Identität.

Und die fünfte Haut sei das globale Umfeld, Ökologie und Menschheit.

Hundertwasser war ein Einzelgänger. Sein Bestreben war es nicht, sich anzupassen, sich hineinzupassen in das schon Vorhandene. Er wollte etwas bewegen und er nahm sich das Recht seine Freiheit zu leben. Dies tat er zum Beispiel auch auf seinem Schiff „Regentag“. Den Regen liebte er. Jeder Regentropfen sei ein Kuss vom Himmel.

Poetisch klingt das. Und wahrlich ohne ein Poet des Lebens zu sein, kann man nicht träumen und die meisten Träumer sind Poeten. Doch sei dies hier nicht negativ besetzt, sondern besetzt mit einer Würde von Zuständen. Nur wer es wagt zu träumen, kann etwas verbessern. Dies erfordert nach dem Träumen auch ein Handeln.

Visionen, Träume umsetzen.

Geträumt hat auch Hundertwasser von Veränderungen. Ob ökologisch oder philosophisch, sich wendend gegen die Rationalität in der Architektur. Er wusste zu träumen. Und er konnte es auch umsetzen. Heute gibt es viele verschiedene Bauwerke in vielen Städten von ihm.

An der Medizinischen Universitätsklinik Graz, dessen Onkologische Station nach dem Konzept von Hundertwasser gebaut wurde, stellte eine internationale wissenschaftliche Untersuchung fest, dass gerade diese Formen und Farben, diese Bauweise eine positive Wirkung auf die Patienten hatte. Für Kinder ebenso, wie für Erwachsene.

Der Vorstand der Station für Onkologie an der Grazer Universitätsklinik sowie die Mitglieder des Fördervereins der Krebskranken hatten Hundertwasser um die Umgestaltung der Station gebeten.

Damalige Fachärzte meinten, dass steril wirkende, eintönige Räume eine negative Wirkung auf Patienten habe. Professor Samonigg selbst war es, der sich anschließend an den Künstler wandte. Dieser stimmte zu und damit nicht genug – Hundertwasser half dieses Projekt mit zu finanzieren, indem er einige Arbeiten von sich verkaufte.

„Baummieter“ und „Fensterrecht“, dies sind Worte, die der Künstler gebrauchte.

Die Natur sind wir selbst. Wir sind durch sie und wir sind mit ihr und was läge dann ferner als beides miteinander zu verknüpfen?

„ Die freie Natur muss überall hervor sprießen, wo Schnee und Regen fällt.“(...)

Seine Gebäude sind über und über begrünt. Die Dächer, die Fenster, Absätze... Man müsse der Natur geraubte Flächen auf diese Art und Weise wieder ihren Raum zurück geben...

Ein Traum – eine Vision – eine Wirklichkeit : Ein Mensch – ein Künstler – ein Kunstwerk...

Hundertwasser starb am 19.02.2000 an Bord der Queen Elizabeth II.

Lotta Blau, 2017