Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden



Leben, diese Tage

Und wie die Hoffnungen schwanden, so flüchtete sich auch die Distanz. Die Fremden nahmen sich bei ihren Worten, ohne jemals ein Wort gewechselt zu haben. Die Ansichten schlugen sich die Nächte um die Ohren, bis der eine dem anderen den Schlaf raubte. Nebenan schlief dann plötzlich ein Feind und ging morgens aus dem Haus. In den Betten wälzten sich die Fragen über die nackten Körper. Darf man noch? Soll man noch? Lieben? Die Tage schütteten die Ängste vor dem Scheitern aus. Die Individualität verschwamm zu einer Masse, die dann zerbröckelte. Man lebte bis dahin mit dem Tod, auch wenn man ihn wie gewöhnlich verdrängte. Nun aber, da war es anders. Der Tod war in den Gliedern und er schlief in den Betten. Man sah auf die Lippen und fürchtete das Sterben. Die Hände, die sich einst sinnlich über die Haut streiften, die hielten inne. Fremde hüllte nun die Körper ein. Sie schlug ihren groben Stoff über und schuf Abstand. In den Köpfen rauschten mahnende Worte statt Lust unter den Decken. Auf den Kopfkissen spiegelten sich die Schatten der Laternen vor den Fenstern. Scheiben sammelten das Flügelgeflüster der Insekten unter ihnen. Hörst du nicht?, sagte er zu ihr. Sie wollte ihn berühren, doch ihre Hand zögerte und ihre Bewegung verstummte. Die Dunkelheit ist heimgekehrt, sagte er. Neben ihm lag ein bleich gewordenes Gesicht. Sie war längst eingeschlafen.



Bild und Text Lotta Blau 2021