Und doch...ein Wunder - Der Baum und seine Blume
Es hatte zum Glück geregnet, zumindest ein wenig. Schon so lange regnete es keinen Tropfen. Wie lange? Nun...niemand wusste das mehr zu sagen - eine Ewigkeit wahrscheinlich und es war längst alles verdorrt, war längst nichts mehr am Leben - weder Tier, noch Mensch, noch sonstiges Leben.
Purer Staub wehte über das einstige wunderbare Land. Nichts als Leere lag über allem. Und doch geschah ein kleines Wunder.
Denn - übrig blieb ein alter Baum, der noch nicht einmal wusste warum gerade er und eine Seerose, die er retten konnte und auch nur, weil er auf Grund seines Alters einen ausgehöhlten Stamm hatte. Dort hatte sich das letzte Wasser angesammelt und als die Seerose drohte auch zu vertrocknen, da nahm er sie und rettete ihr das Leben. Seine Blätter hatte er längst alle durch die Trockenheit verloren und weil er immer weniger Kraft hatte, sank er eines Tages in sich zusammen und setzte sich auf dem Boden ab.
So war er nicht allein und hatte neben all der Ödnis eine kleine Blumenfreundin. Wie lange allerdings das Wasser noch hielt, bis auch das zu Staub wurde, das wusste der Baum nicht. Aber solange wollte er sich um die Seerose kümmern und ihr ein Zuhause geben.Zapfte keinen Tropfen aus dem kleinen Teich in seinem Schoß ab, sondern durstete weiter- um die Blume zu retten.
Ach, wie war sie anmutig, diese Rose und jeden Tag ließ sie den alten Baum seufzen...
Ach, sagte er dann - wer weiß wie lange ich noch bin, bin ja alt und meine Kräfte schwinden und wie lange kann ich wohl noch meine Arme um dich legen und dich beschützen?
Wenn du doch nur mit mir reden könntest, kleine Blume...niemand spricht auch nur ein Wort, denn es sind ja alle gestorben. Nun bist du bei mir für meine Augen und mein Herz- doch meine Ohren und mein Mund hören und sprechen ins Stille ohne Antwort- ohne den Klang einer anderen Stimme. Ach, wie vermisse ich das...all die Vögel, das Rauschen meiner Blätter durch den Wind, den Gesang der Meere, der sich zu mir trug, die Musikstücke der kleinen Kieselsteine am Ufer eines Flusses, wenn eine Welle sie aneinander trieb und sie sich in ihren Klängen aneinander rieben. Den Regen, der uns allen neues Leben schenkte, und manchmal auch den Tod brachte. So wie alles Leben bringen kann oder aber auch den Tod.
Und wie sehr vermisse ich meine Baumschwestern und Brüder...
Da begann die Seerose zu sprechen, sehr leise, so leise und zart, dass es der Baum kaum hören konnte und doch vernahm er dieses Stimmchen:
Aber ich habe die ganze Zeit mit dir gesprochen, alter Baum. Du, der mich gerettet und behütet hat, hast mich wohl nicht hören können. Wie oft sah ich dein trauriges Herz...wie oft hörte ich dein Flehen in den Himmel...es möge doch endlich regnen und wie oft wollte ich dich trösten und dir danken...doch nie hast du mich erhört. Nun, da du wieder ein Stück weiter deine Krone zu mir gesenkt hast, weil du erschöpft bist, kann du mich endlich verstehen. Gute, alter Baum...ich danke dir...sei nicht traurig. Ich will dir dein Wasser nicht mehr nehmen...nur, damit ich leben kann. Ich lege mich ins Sterben und damit kannst du das Wasser für dich und deinen Durst verwenden. Still deinen Durst, du bist schon beinah auch vertrocknet, guter alter Freund. Leb wohl...da schloss die Blume ihre Blüte und begann sich zur Ruhe zu legen - für immer.
Da begann der Baum zu weinen und es weinten sich seine Tränen nach unten in seinen Schoß zur Blume und alsbald war dort alles bis zum Rand gefüllt und es traten seine Tränen aus den Rändern zum Boden hinaus und dort sickerten sie in den Boden zu seinen Wurzeln und stillten seinen Durst. Neues Leben begann sich in seinen Stamm nach oben zur Krone seinen Weg zu suchen und schon merkte der Baum, dass sich ein Blatt in seiner Krone bildete. Und da weinte er weiter vor Glück und neuem Lebensmut und konnte es nicht fassen und weinte und weinte...der Boden saugte alles auf und bald war so viel geweint, dass sich ein kleiner Rinnsal bildete und aus diesem entstand ein Bächlein und daraus wurde ein Fluss und der Baum bestaunte seine Tränen...was sie alles neu zum Leben erweckten und so viele Tränen brachen aus ihm. Blümchen...nun schau...du musst nicht sterben...schau- wir sind gerettet.
In dieser Trockenheit hatten sich noch ein paar Samen im Staub abgelegt, die nun zu blühen begannen. Bald wurde immer mehr alles grün und wieder lebendig...auch, wenn der Baum sehr, sehr lange weinen musste...womit er vor lauter Glück und Erleichterung nicht mehr aufhörte. Erst einige Jahre später - es war alles wieder prachtvoll, da endlich waren alle seine Tränen geweint. Da war ein Meer aus diesem Leid entstanden und dieses Leid nährte das Neue nun.
So lange hatten die Tränen und die Trauer sich über all das Schlimme und über all dem Unglück aufgestaut, das sie nun durch die Blume ausbrachen - wie aus einem geöffneten Staudamm.
Die Seerose aber ließ sich eines Tages wieder in den See setzen, dorthin, wo sie einst wohnte. Neben dem Baum- für immer. Und ab und an beugte der Baum seine Krone im Wind zur Rose und dann erzählten sie sich von damals, als die Welt verloren schien und verloren war und doch ein Wunder geschah...
Lotta Blau
Bild:free