Tage wie diese
Ton – und Schattengedanken
Als ich kürzlich ein Konzert (Bach) gespielt von Vikingur Ölafsson in der Tonhalle Düsseldorf hörte, schloss ich beinah das ganze Konzert hindurch meine Augen und hörte nur. Genoss den Klang in dieser riesigen Kuppel und auch die Stille der Menschen. Endlich, dachte ich mir, hören sie zu. Manche Klänge gehen mir unglaublich tief. Sie erreichen etwas in mir, sodass eine ganz bestimmte Gefühlslage ausgelöst wird. Ein Verschmelzen mit den Tönen. Es ist wie eine besondere Form von Meditation. Oftmals sind das eher minimalistische Piano-Klänge. Liebend im Solo. Aber auch schon einmal Cello-Solo. Zwischendurch fiel mir Platons Höhlengleichnis ( Schatten und die Welt dahinter) und Sokrates ein. Letztere, der sogar für die Gerechtigkeit den Tod in Kauf nahm. Platon, der die Idee von einer „Philosophen-Regierung“ ins Leben rief. Niemand, so heißt ein Schatten in einem meiner Texte. Niemand klopft an die Türen und will Frieden. Wer will schon Niemand sein? Ein Niemand? Also klopft doch keiner oder gibt es diesen Niemand doch gar nicht? Zugegeben...ich lasse diese Fragen in meinem Text offen. Mag sich wer will darüber Gedanken machen. Schatten sind nicht einfach so wegzufegen oder zu vernichten. Es sei denn ein Jemand befindet sich selbst im Schatten. Also: Was sind Schatten und was verbirgt sich hinter ihnen? Kann es angestrebtes Ziel sein, wenn nur Licht- Sein würde? Und: Wer will (ein) Niemand sein des Friedens wegen?
Lassen uns Ziele blind werden? Lassen sie uns nichts mehr sehen, als die Erfüllung? Diese Vorfreude darauf? Aber ist nicht möglich, dass alle Ziele Licht, wie Schatten haben? Hindern uns nicht sogar Ziele andere passenderer Ziele zu finden? Wer geht schon im Zickzack zum Angestrebten, wenn er doch die gerade Strecke nehmen kann? Wer geht schon langsam zum Ziel,wenn er es mit Schnelligkeit erreichen kann? Kommt der Langsamere etwa klüger am Ziel an, weil er die Welt ringsherum eher wahrnehmen kann? Und was, wenn sich das Ziel am Ziel nicht als erhofftes Ziel herausstellt? Können Ziele Phantome sein? Was sind im Grunde Ziele? Sind sie nicht eine Planung der Zukunft aus der Vorstellungskraft und der Möglichkeiten heraus? Ist das sinnvoll? Oder wäre es eine bessere Lösung, dass sich ein Ziel aus dem Weg entwickeln kann?
Der Regenbogenbaum kommt mir in den Sinn und auch der Mondregenbogen. Beides klingt wie aus einem Märchen. Beides, wie gemalt. Doch beides existiert. Krähen können sich Gesichter von Menschen merken und Delfine berauschen sich am Gift von Kugelfischen. Nach dem Genuss des Giftes schwimmen sie total entspannt im Meer herum. Untereinander nennen sie sich durch Pfeifgeräusche sogar beim Namen. So sagt die Wissenschaft. In einem meiner früheren Texte mit dem Titel: Reise durch das Wunder Leben – ist auch das Thema Wahrheit einbezogen. Die Frage ist, was ist Wahrheit? Wenn für einen Menschen, den ich hier x nenne das a wahr erscheint, so ist für einen zweiten Menschen den ich y nenne b wahr. A erscheint für x als weiß, während für y b als schwarz erscheint - beides ergibt die Farbe grau also ein c und somit wäre eine dritte Möglichkeit gegeben als Wahrheit. Man könnte dies auch so sehen, dass schließlich zwei Theorien zu einem richtigen Ergebnis führen können oder einem kompletten falschen. Genauso könnten sie sich alle drei auch als falsch herausstellen und eine vierte wäre die richtige Antwort. Somit hätten wir ein d neben a, b und c und damit ergeben sich wiederum weitere Ergebnisse in der die Wahrscheinlichkeit des Treffers höher ist als nur bei a und b. Und so weiter. Popper zum Beispiel lehnte einen absoluten Wahrheitsanspruch einer Theorie ab. Doch was heißt schon absolut? Für Newton war die Zeit absolut bis bewiesen wurde dass Zeit relativ ist. Ja, was liegt alles hinter den Schatten unserer Wahrnehmung. Und was hinter dem, was oder wer Schatten als Schablone benutzt. Was wir also nicht sehen sollen ist ja ein Unterschied zu dem, was wir sehen können und wollen.
Ich war ein bisschen zu früh da. Eine dreiviertel Stunde. So stellte ich mich abseits der wartenden Menschen und beobachtete. Während ich ruhig auf einem Fleck stand, bewegten sich viele Menschen durch den Raum. Mein Zeitgefühl war währenddessen sicherlich ein anderes, als jenes für die Menschen in Bewegung.
Es ist interessant sich dieses Geschehen in geometrischen Formen vorzustellen. Sich ein Bildnis vom Zusammenspiel von Formen und verschiedenen Farben zu erstellen. Dieses miteinander agieren zu lassen und welche Verbindungen und Tangenten dabei entstehen können. Interessant auch sich jede Bewegung als eine Note vorzustellen. Ziel war an jenem Abend die Musik zu hören und ich denke dem Pianisten zuzusehen. Seine Bewegungen der Hände über der Klaviertatstatur zu beobachten. Die Töne jedoch erreichen zwar jeden einzelnen Zuhörer und doch ist es viel mehr. Hinter und Zwischen den Tönen leben Welten... und Licht, wie Schatten. Ob Töne Ziele haben? Ich denke höchsten Durchzugs-Ziele, denn sie sind doch letztendlich ein komplexes Geschehen, welches sich selbstständig durch Raum, biologischer und kosmologischer Zusammensetzung bewegt.
Bild: Das Zusammenspiel/ 2000 und Text Lotta Blau/10/2023