Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Thomas Bernhard, Meermensch und kahle Wände voller Risse

Thomas Bernhard wurde 1931 in Herleen/Niederlanden geboren. Seine Mutter war kurz vor seiner Geburt aus Österreich angereist. Niemand wusste von deren Schwangerschaft, nicht einmal die werdenden Großeltern. Sie bringt ihn zur Welt und übergibt ihn zunächst einem Fischer bei Rotterdam. Erst nach einem Jahr gesteht sie ihren Eltern gegenüber die Geburt ihres Kindes und darf  Thomas nach Hause holen. Diese ersten Lebensmonate

legten sich bereits wie der Anfang eines immer dunkler werdenden Schatten über sein Leben. Die erste Einsamkeit war über ihn hereingebrochen.

Sein Leben lang fühlte er sich, durch seine Kindheit geprägt, allein. Innerlich, durch mangelnde Liebe, brach er mit der Welt, ja selbst mit der Natur. Diese sah er als Übel. Sah er sie deshalb als Übel, weil sie ihm letztendlich das Leben geschenkt hatte? Hasste er sich dafür? Seine Mutter brachte ihn unehelich zur Welt. Zu damaligen Zeiten ein Skandal.“Du hast mir noch gefehlt!“, schreit Thomas Bernhards Mutter ihren Sohn immer wieder an.“Du hast mein Leben zerstört!“...

Für ein Kind sind solche Worte zerstörend und zwar für das ganze Leben. Niemand kann solche gesagten Grausamkeiten abwerfen - sie bleiben sitzen und verfolgen denjenigen, bis er stirbt. Wenn eine Mutter zu ihrem Kind so etwas sagt, zerbricht sie damit des Kindes Psyche.Sie setzt Risse hinein, die nie wieder wirklich verheilen können. Auch später bekommt er von seiner Mutter keine Liebe. Sie peinigt ihn weiter. Bernhard wird zum Bettnässer. Seine Mutter quält ihn daraufhin, indem sie sein Bettlaken aus dem Fenster hängt - für jeden sichtbar, der am Haus vorbei kommt.

Als Kind und noch Jugendlicher mochte er keine Bücher.

“Und ganz früh hab` ich – so bis siebzehn,achtzehn Jahre -, hab` ich nichts so gehasst, wie Bücher“ (...)

Die Bibliothek seines Großvaters waren ihm ein Greuel. Sein Großvater, der Schriftsteller Freumbichler, war für Bernhard oft der einzige Halt und Lebenswegweiser. Was ihn herausforderte, wage geschrieben, was ihn  peinigte, zog ihn an. Und so fing er später an zu schreiben. Dieses sich selbst peinigen ist auch eine Selbstbestrafung und darauf zurück zu führen, dass Bernhard auf Grund seiner Kindheit innerlich nie wirklich Fuß fassen konnte. Wenn er schrieb, fühlte er sich. Bernhard verarbeitete so seine traumatischen Kindheitserinnerungen.Es war für ihn eine Möglichkeit eine Existenzberechtigung zu haben.

Seine Sätze sind oft verschachtelt und lang. Vielleicht interpretiert man zu viel hinein, wenn man sagt, diese Sätze waren wie ein innerer Schutz. Wie dicke Wände, die er sich schuf, um weiteren Verletzungen aus dem Wege zu gehen. Verschachtelte Sätze, wie Mauern und darin eingepackt, seine Erfahrungen.

Seine oft bissigen Bemerkungen in seinen Büchern aber auch in den Interviews kann man auf seine Verachtung und Ablehnung sich selbst gegenüber aber auch der Mitmenschen zurück führen. Seine Theaterstücke wurden zum Teil mit Aufführungsverboten belegt - Bernhard provozierte. Wieder kann man sagen, zum einen, weil er schrieb, was er dachte, zum anderen provozierte er aber auch, weil er, wie er einmal schreib- den Widerstand brauchte.

Früh lehrte das Leben ihm die Einsamkeit. Eine Einsamkeit, die ihn sein ganzes Leben verfolgen sollte. Man könnte sagen, er war später danach süchtig. In Angesicht dessen, was ihm Menschen angetan haben, nicht verwunderlich. Er sagte, er sei am liebsten allein.Selbst sein Haus sei theoretisch ein Kerker und er sah das als Idealzustand.Kahle Wände waren ihm lieb.Bücherkapitel verglich er mit weißen Wänden und plötzlich erschienen ihm die Wände nicht mehr wortlos, nicht mehr nichtssagend, sondern, so schrieb er einmal, plötzlich entdeckt man darin Bewegung. Die Wände hatten ihm zu berichten...von Rissen, Sprüngen und Unebenheiten.So, wie er das Leben erfahren hatte - voller Risse...so sah er sich in den Wänden wieder. Sie waren für ihn, wie ein Spiegel. So, wie die Stadt Wien. Hier verfiel er nach eigenen Angaben in einen Zustand der Melancholie und er fühlte sich darin wohl- in Wien und in der gefühlten Trauerschönheit.

Bernhard sagte von sich in seinem Buch „ Ein Kind“, er sei ein Meermensch. Erst hier fühle er sich wohl und könne denken. Hier hatte er ja auch die Freiheit, sich nicht schützen zu müssen und Kraft zu tanken. Das Meer gab es ihm wortlos und nahm ihn als Mensch an...

Meer, auf Pappe und Text Lotta Blau, 2007