Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden



Friedrich Hölderlin wurde am 20.03.1770 in Lauffen am Neckar geboren. Er war einer jener Menschen, die an der Liebe zerbrochen sind.



Irrsinn als Rettung?

Seitdem die Menschheit existiert rätselt sie, was genau denn Liebe sei. Natürlich kann man sie reduzieren auf biochemische und physikalische Vorgänge in uns, auf Hormone und visuelle Vorzüge.  Doch ist das wirklich alles?  Oder ist es nicht eher so, dass nur wer einmal diesen Zauber erlebt hat - der Liebe auf den ersten Blick - bestätigen wird, dass mehr dahinter schlummert. Anziehungskraft, Leidenschaft...etwas Unsagbares und es scheint so viel Geheimnisvolles in ihr zu liegen. Kann man das auf unser Unterbewusstsein reduzieren?  Man kann es nicht erklären. Da muss doch mehr sein. Etwas, was wir noch nicht begreifen können. Vielleicht wird es einmal enträtselt, aber wollen wir das wirklich? Vielleicht spielen ja auch die Anziehungskräfte und die Abstoßungen von Atomen eine Rolle? Vielleicht liegen ja ganz viele „Informationen“ in der Luft. Warum nicht?  Weiß man doch heute, dass Gene auch immer neue Informationen aufnehmen und speichern. Gene verändern sich. Selbst, wenn wir heute wissen, dass Atome u.a. aus Quarks (der Begriff wurde aus einem Roman übernommen) bestehen, so haben wir das menschliche Gehirn, wenn überhaupt, nur zu einem Teil erfasst und verstanden...

Doch was ist schon Wahrheit? In den Augen Hölderlin beinhaltet sie auch den Irrtum und kommt damit Popper nahe. Er schrieb: „Die wahrste Wahrheit - Nur das ist die wahrste Wahrheit, in der auch der Irrtum, weil sie ihn im Ganzen ihres Systems, in seine Zeit und seine Stelle setzt, zur Wahrheit wird. Sie ist das Licht, das sich selber  und auch die Nacht erleuchtet. Dies ist auch die höchste Poesie, in der auch das Unpoetische, weil es zur rechten Zeit und am rechten Orte im Ganzen des Kunstwerks gesagt wird, poetisch wirkt.(...)

Begegnet man erst einmal jenen ersten Blicken, die mehr sagen können, als tausend Bücher, dann ist es zu spät. Die Liebe, das Verliebtsein, hat sich ins Herz gebrannt. Manche verlieben sich „unsterblich“. Dieser Zustand erinnert an den Wunsch des Menschen nach Unendlichkeit. Ewig soll diese Liebe halten...ewig und nimmer mehr vergehen. Zeitlos ist das Bewusstsein eines verliebten Menschen, wenn er sein Verlangen in den Armen hält. Später bezog Albert Einstein diese Ansicht heran, um der Allgemeinheit seine Relativitätstheorie zu erklären.  

„Was ist`s denn, dass der Mensch so viel will? Fragt ich oft; was soll denn die Unendlichkeit? Wo ist sie denn? Wer hat sie denn vernommen?“, schrieb Hölderlin einmal.

Verliebt sein und lieben sind unterschiedliche Dinge. Verlieben kann man sich so oft, aber ob daraus später der feine Übergang zum Lieben wird, ist fraglich. Lieben kann man auf so unterschiedliche Weise, dass selbst dieses Befassen damit wohl mehrere Bücher füllen würde.

Die Romantik befasste sich mit der sinnlichen Auseinandersetzung des Themas Herz. Bis vor kurzem stritt die Wissenschaft ab, dass ein Herzinfarkt durch ein gebrochenes Herz ausgelöst werden kann. Heute sieht man das anders - man hat erkannt, dass das Gehirn auch fähig ist so etwas zu steuern. Wenn Impulse durch den Liebeskummer zu stark werden verkrampft sich das Herz und nimmt Schaden. Doch bis dahin wurden alle, die das so sahen, als ewige Romantiker abgetan.

Verspottet wurde die Liebe, besungen und erwünscht, herbei gesehnt und zum Teufel geschickt, begraben und zerrissen. Getröstet hat sie, aber auch zerstört, hat Frieden gestiftet und genauso Kriege ausgelöst...sie hat zusammengeschweißt und geheilt, aber genauso Herzen gebrochen.

Hölderlin, in dem wohl die seelische Zerstörung schon geschlummert haben muss, erfuhr im Jahre 1802 von dem Tod Susettes Gontard, die er 1795 in Frankfurt kennen gelernt hatte. Zum Zeitpunkt ihres Todes befand er sich in Bordeaux. Verwirrt und sein Herz tödlich verletzt, durch den Schmerz seine Liebe verloren zu haben, kehrte er zu Fuß nach Frankreich zurück.

Susettes Gontard war die Ehefrau von Jacob Gontard und Mutter eines Sohnes und seines Zöglings als Hauslehrer der Contards. Es war eine verbotene Liebe. Verboten und dadurch schmerzhaft.

Hölderin selbst schrieb einmal über die Liebe zu Susettes: „Ich habe lange gewartet, ich will es dir gestehn, ich habe sehnlich auf ein Abschiedswort aus deinem Herzen gehofft, aber du schweigst. Auch das ist eine Sprache deiner schönen Seele, Diotima. Nicht wahr, die heiligern Akkorde hören darum denn doch nicht auf? nicht wahr, Diotima, wenn auch der Liebe sanftes Mondlicht untergeht, die höhern Sterne ihres Himmels leuchten noch immer? O das ist ja meine letzte Freude, daß wir unzertrennlich sind, wenn auch kein Laut von dir zu mir, kein Schatte unsrer holden Jugendtage mehr zurückkehrt.“

Der Dichter, der schon zu Kindheitstagen mit Verlusten des Vaters, dann des Stiefvaters zu kämpfen hatte, verlor ein weiteres Mal - seine große Liebe Susettes, die er in seinen Texten als Diotima bezeichnet. Damit nicht genug, wurde sein Freund Isaak von Sinclair 1805 wegen Anstiftung zum Umsturz verhaftet. Dieser Vorwurf wurde auch Hölderlin gemacht. Dem Hochverratsprozess ist er nur dadurch entgangen, weil man ihn für geisteskrank erklärte und ihn daraufhin in eine Heilanstalt einwies. Erinnert an Ludwig von Bayern. War er nun tatsächlich ernsthaft erkrankt, oder spielte er nur, um der Todesstrafe zu entgehen? Diese Frage stellt sich nunmehr, da man zum Beispiel folgende Sätze liest:

„Idee von einer Maschine - Von der Natur komme ich aufs Menschenwerk. Die Idee der Menschheit voran- will ich zeigen, daß es keine Idee vom Staat gibt, weil der Staat etwas Mechanisches ist, so wenig als es eine Idee von einer Maschine gibt. Nur was Gegenstand der Freiheit ist, heißt Idee. Wir müssen also auch über den Staat hinaus!- Denn jeder Staat muss freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; und das soll er nicht; also soll er aufhören. Ihr seht von selbst, dass hier alle Ideen einer höhern Idee sind. Zugleich will ich hier die Prinzipien für eine Geschichte der Menschheit niederlegen und das ganze elende Menschenwerk von Staat, Verfassung, Regierung, Gesetzgebung- bis auf die Haut entblößen.“

Gestattet sei hier der Verweis auf andere Schicksale und falsche bis heute bestehenden Aussagen, wie zum Beispiel zu van Gogh.

Hölderlin starb am 07.06.1843 in Tübingen.

Lotta Blau, 2008


An eine Rose

Ewig trägt im Mutterschoße,

Süße Königin der Flur!
Dich und mich die stille, große,
Allbelebende Natur;
Röschen! unser Schmuck veraltet,
Stürm entblättern dich und mich,
Doch der ewge Keim entfaltet
Bald zu neuer Blüte sich.



Diotima

Du schweigst und duldest, und sie verstehn dich

nicht,
Du heilig Leben! welkest hinweg und schweigst,
Denn ach, vergebens bei Barbaren
Suchst du die Deinen im Sonnenlichte,

Die zärtlichgroßen Seelen, die nimmer sind!
Doch eilt die Zeit. Noch siehet mein sterblich Lied
Den Tag, der, Diotima! nächst den
Göttern mit Helden dich nennt, und dir gleicht.



Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.



Lebenslauf

Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt

All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,
Doch es kehret umsonst nicht
Unser Bogen, woher er kommt.

Aufwärts oder hinab! herrschet in heilger Nacht,

Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,
Herrscht im schiefesten Orkus
Nicht ein Grades, ein Recht noch auch?

Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,

Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,
Daß ich wüßte, mit Vorsicht
Mich des ebenen Pfads geführt.

Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern,
Und verstehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will.

Hölderlin