Glasglocken
Wer bist du, wer bin ich? Wer sind wir? Manchmal öffnet sich mein Gedanken - Brustkorb und fordert das Herz auf nach außen zu sehen. Heraus aus dem warmen, weichen Pulsieren. Aber es pulsiert das Innen, immerfort. Es rauscht, stockt, pumpt lachend, weinend oder fragend in seiner ganz eigenen Morsesprache. Manchmal braucht es neue Ideen, braucht es Licht, und will ab und an seine Fenster neu polieren.
Wir verlieren uns. Es steht auf der Fensterscheibe geschrieben. Die Sonne trocknet den Nachtregen. Und der offene Brustkorb beginnt sich zu deformieren. Will schreien...Nicht doch! Wir haben doch nur noch uns! Was bleibt denn, wenn sich jeder von jedem und allen verliert. Wenn jeder in seiner Glasglocke lebt. Unter ihnen Schritt für Schritt im Leben tut. Und die Gefahr besteht, dass sie zerbricht, wenn man dem anderen zu nahe kommt. Sie aneinander geraten und zerschellen. Die schönen Glasglocken.
Noch ist Fenster-Zeit. Noch können wir es öffnen und spüren, ahnen, sehen, riechen, hören. Und wenn zu viel im eigenen Brustkorb randaliert wird, weil sich die Ereignisse überschlagen, dann geht es noch: Den Brustkorb weit auf. Der Kopf schafft das, was dem Herzen dann hilft und anders herum.
Aber wehe...wenn erst die Glasglocken kommen. Wenn sie kaputt gehen, beim Berühren des anderen, dann wird es ein schuldhaftes Gefühl hinterlassen und da das Zwischen - Uns abgewöhnt, wird jeder nach sofortiger Reparatur oder Ersatz rufen. Ja, panisch werden. Die Herzen sprechen miteinander. Unsichtbar, aber fühlbar. Ihren Puls folgen Impulse und dann Wege zum Miteinander. Nicht nur...auch das Gegenteil ist möglich. Wenn der Kopf mitmischt.
Am Boden der Glasglocke wächst eine Blume. Sie wächst und wächst und bleibt zunächst genügsam, mit dem, was sie hat. Wir erfreuen uns an ihr. Oh, wie zart und zerbrechlich! Oh, wie farbenfroh und duftend! Doch eines Tages, wird sie keine Luft mehr bekommen und der Boden wird zu eng. Auch will sie weiter nach oben, doch es geht nicht. Da wächst sie erst krumm und schließlich mit der Blüte zum Boden gebeugt. Dann bekommt sie keine Luft mehr und stirbt jeden Atemzug ein wenig mehr. Irgendwann ist sie tot.
Es ist genug gesehen, am Fenster, schimpft das Herz. Und schließt den Brustkorb mit seiner Gedankenwunde. Gedankenwund arbeitet es weiter und weiter. Es pulsiert einen Brandbrief an den Kopf. Lass Sprache werden!
Lotta Blau, 2020
Bild:free