Frost und Liebe
Als ich heute in einem nahegelegenen Park unterwegs war, mir eine Bank suchte, um auf die uralten Bäume zu blicken und bisschen Stille zu genießen, setzte sich eine alte Frau neben mich. Wir kamen ins Gespräch und sie erzählte mir, dass sie ursprünglich aus Pommern stammte. Sie wuchs inmitten von einem Wald auf, denn ihre Familie hatte einen Forstbetrieb. Sie war 12, als sie flüchten mussten. Ich fragte sie, was sie auf dem Treck erlebt hätte, doch ihr stockte der Atem. Sehr viel und alles habe sie erlebt. Einzelheiten zu berichten war sie nicht bereit. Das Trauma sitzt noch immer tief und fest. Aber von ihrer Familie erzählte sie mir. Ihren Kindern, ihren Enkeln und das alles so schwer und schwierig geworden ist. Mehrfach betonte sie durch die Maßnahmen. Und dann...die Kinder. Warum?, sagte sie?
Und warum so viele heute ihre Gärten mit Steinen zuschütten, mit Kies oder grauen Geröll. Ihr Garten hätte viele Blumen vorm Haus. Ich sagte: So, wie der Garten eines Menschen, so sein Herz und seine Seele. Für viele ist es zu kalt geworden, ihre Augen sehen zwar, aber sehen auch wieder nicht. Die kleinen Zaubereien, die Nanomomente des Glücks erreichen sie nicht mehr und ein Garten, auch der innere, will gepflegt und gehegt werden. Regen und Sonne, wie Tränen und Lachen. Die Menschen lachen zu wenig, lächeln kaum, blicken frierend umher. Sie frösteln, wir frösteln uns zu Eis, das sich seine eigene Realität erbaut, als wäre das Leben bloß eine Maschine, die uns vor sich her treibt.
Ihr Garten sei recht verwildert, denn sie würde es nicht mehr schaffen. Als ich sagte, es ist schön, dass vor uns Brennnesseln wachsen dürfen, denn die Schmetterlinge brauchen diese Pflanzen, da sagte sie: In ihrem Garten seien immer drei, die wie wild herumflattern würden. Ihr Leben sei erfüllt gewesen. Und die Schmetterlinge würden ihr das jeden Tag zeigen, denn mit dem nächsten Winter würden sie sterben und wer weiß, vielleicht ginge sie dann mit. So viel Liebe, dachte ich...
Bild und Text Lotta Blau, 2021