Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden



Die Turmrose

Alt ist sie geworden, die schöne Frau von damals, doch nie hatte sie aufgehört ihre Blume zu versorgen, denn diese Blume ist etwas ganz Besonderes.

Einst hatte sie sie entdeckt, dort oben. Sie lief, es war Frühjahr vor vielen, vielen Jahren, gerade an diesem Turm vorbei, als sie ein klägliches Rufen hörte.

Hallo...hallo...ist denn da niemand, der mir helfen könnte?, rief es von der Spitze des Turmes.

Die Frau dachte damals, sie höre Gespenster, denn es war dort oben nichts zu sehen. Sie ging weiter und da waren diese Rufe wieder. Ja, beinah klang es, als weinte jemand von da oben hinunter.

Sie schaut abermals hin - doch weit und breit nichts zu sehen. Doch es ließ ihr nun keine Ruhe mehr und so stieg sie die vielen Stufen des Turms hinauf.

Oben angekommen, erblickte sie eine am Boden liegende Rose. Sie war schon am Welken und ohne Blütenblätter.
Bitte gib mir Wasser,sagte sie zu der Frau. Ich sterbe bald vor Durst. Schon ewig hat es auch nicht mehr geregnet, die Sonne jedoch scheint auf mich erbarmungslos herunter. Doch ohne ihr Licht wäre ich auch verloren. Ach, es ist ein Jammer. Was soll ich nur tun. Hier hoch hat man mich gepflanzt und dann wurde ich allein gelassen.

So warte, ich steige hinab und hole dir Wasser. Es wird nur etwas dauern. Gedulde dich ein wenig.

Die Frau beeilte sich, denn die Rose tat ihr leid und eine sprechende Pflanze hatte sie ihr ganzes Leben nicht gesehen.
So holte sie Wasser und stieg wieder hinauf zur Rose. Begoss die Blume und sah sie ehrfürchtig an.
Ich danke dir von ganzem Herzen, sagte die Rose. Du hast mir mein Leben gerettet. Ich schenke dir einen Wunsch dafür, den ich dir erfüllen möchte.

Die Frau überlegte nicht lange und sagte: Ich wünsche mir, dass du neu erblühst und mir erhalten bleibst.

So soll es sein, sagte die Rose. Du weißt aber auch, dass du dich ab nun um mich kümmern musst?
Ja, das dachte ich mir, sagte die Frau.Doch du bist etwas ganz Besonderes und dein Anblick, jetzt da du dich wieder aufgerichtet hast, ist so lieblich. Das streichelt mein Herz und schenkst mir Liebe. Darum sorge ich gerne für dich.
Ich danke dir, sprach die Rose. Ich vertraue dir ein Geheimnis an: Ich kann auch singen. Darum pflanzte man mich einmal auf den Turm, damit ich in den Himmel singen kann. Doch dann vergaß man mich und ich wurde sehr traurig. Zum Singen hatte ich keine Lust mehr und so begann mein Kummer.

Nun, dann sing mir etwas, sagte die Frau.

Da sang die Rose voller wundersamer Melodie in den Himmel hinein, das sich ein Regenbogen bildete, der in den schönsten Farben über den Turm lag. Da öffnete sich das Herz der Frau und sie musste weinen.

Warum weinst du?, sprach die Rose.

Weil du mich so berührst und dein Gesang mir meinen Kummer vertreibt. Darum muss ich weinen. Ich konnte ihn lange nicht hinaus lassen und verschloss mein Herz. Ich setzte viele Riegel davor, damit mir niemand mehr weh tun kann. Doch nun hast du mir deine Liebe und Freundschaft, deinen Gesang und deinen lieblichen Anblick geschenkt und damit hast du in mir alle Mauern gebrochen. Ich danke dir.
Ab da ging die Frau jeden Tag zu ihrer Rose und hegte sie. Die Rose sang ihr Lied und die Frau war sehr glücklich über ihre Rose. So viel Liebe wuchs aus ihr in den Himmel hinein.
So stieg auch heute die alte Frau wieder zur ihrer Rose die Stufen hinauf.

Lotta Blau

Bild:free