Die Freiheit der Sprache muss sich (wieder) emanzipieren!
Der schwarze Vogel hackt der Taube ins Herz. Das Finstere dem Licht. Die Kriege reißen Menschen und Tieren die Herzen auseinander. Die Natur stöhnt und fleht unter der Zerstörung. Gestern lag noch der schöne Friedensschein über den Gräbern und heute soll auf Knopfdruck gehasst, verfolgt und getötet werden. Metaphern können der größte Widerstand der Literatur sein, denn obwohl sie vielleicht zu entschlüsseln sein mögen, so kann niemals davon ausgegangen sein, dass genau dies auch gemeint war. Es kann kein Beweis erbracht werden, denn eine gute Metapher wird so formuliert, dass sie mehrere Bedeutungen haben kann. Sie können purer Friedenscode sein, pazifistischer Code, Verständigungscode trotz aller Verbote.
Die Zungen müssen wieder aus den Käfigen! Denn die Zunge ist ein Muskel, der erschlafft im Käfig! Die Freiheit der Sprache muss sich (wieder) emanzipieren! Was wir bis heute für Freiheit hielten, ist nur ein Schein dessen, was sie tatsächlich bedeutet. Auch in der Sprache. Wir glauben im Wort frei zu sein und sind doch immer noch Knechte. In den sogenannten fortschrittlichen Ländern findet die Unterdrückung nur subtil statt. Jedoch in den letzten Jahren stetig offener und bösartiger.
Metaphern können Liebe sagen, wenn ringsherum alles im dunklen Filz der Zerstörung verstrickt ist. Sie können sagen: umarme die Sprache des Menschseins Willens, denn wir müssen uns in diesen finsteren Zeiten immer wieder erinnern, wer wir sind und sein können. Wir müssen sagen...uns sagen. In unseren Köpfen blättern sich die Geschichtsbücher hin-und her. Ein Gefühl der Wiederholung, wie einst das Auswendiglernen. Eine Spirale bohrt sich ins Gedächtnis. Sag doch. Sag doch endlich: Wir sind endlich das Wort, das wir gegeben und nach dem wir viel zu still Tag für Tag rufen: Leben. Wider der Zerstörung, des Hasses, der Kriege, der Ungerechtigkeiten. Bejahen wir das Leben, die vielen Nuancen der Liebe, der Freiheit. Retten wir die Zärtlichkeit, das Sanfte und Zerbrechliche. Denn das ist es, was uns behutsam sein lässt, was uns Rücksicht abverlangt und damit das Miteinander schult. Darum sind die Schwachen und Schwächsten unsere Lehrmeister, so, wie die Armen und Ärmsten.
Denn es gibt sie ja, die Armen und Ärmsten in den fortschrittlichen Ländern und gegen die Kriege geführt werden. Denn das Absurde ist ja, Armut schafft Reichtum für andere bereits Vermögende. Die Armen werden wie ein Zirkustier vorgeführt. Schaut her auf diese Faulen, auf diese Nutznießer! Lasst sie für ihre Armut büßen! Durchsucht ihre Schränke nach dem letzten Hemd! Nehmt aus ihren leeren Händen den Schweiß des Überlebens!
Wir müssen auch ihrer Zunge aus den Käfigen helfen. Ihnen eine Sprache geben! Die zum Beispiel zuhause sind unter der Brücke an den Düsseldorfer Arcarden. Dort liegen sie auf ihren Matratzen. Ringsherum ein paar Taschen. Daneben gehen Tag für Tag die Menschen nach links und rechts zu den Läden. Eilen zu den Einkäufen und kommen mit vollen Taschen wieder, aus denen manchmal das Essen ragt. Sie sagen und erzählen, sie weinen sich still in die Nächte hinein. Sie sind zu still...obwohl sie jeden Tag einen Roman zu uns schreiben, den selten jemand lesen will.
Ihre Worte versickern, die mich lehren.
Lotta Blau/ 2023