Der Amselkönig und der bunte Wald
Einst wohnte der Amselkönig in einem Land voller bunter Bäume. Dort war sein zuhause, welches er wirklich sehr liebte. Er hegte und pflegte seine bunten Bäume. Jeden Morgen, nachdem er sein Lied gesungen hatte und jeden Abend zur Nacht, besuchte er jeden einzelnen seiner Bäume.
Diese hatten alle Farben, die man sich nur vorstellen konnte. Blau, Grün, Orange, Gelb, Rot, Weiß aber auch Mischungen wie Ocker. Jeden Baum hatte er zutiefst in sein Herz geschlossen.
So lebte er viele Jahre in seiner Welt. Bis eines Tages ein Geräusch seinen Morgengesang unterbrach. Es klangen Stimmen durch die Bäume.
Den da...und den da...ach ja...den da auch, hörte er die Stimmen sagen.
Ja, der ist zu grün und der dort zu gelb. Auch der da hinten, der ist mir zu krumm. Schöne Farbe zwar, doch eben krumm.
Der Amselkönig kannte diese Wesen nicht, die das sprachen. Merkwürdig sahen sie aus, wie übergroße Wichtel.
Er blieb auf einem der Wipfel seiner Bäume sitzen und lauschte dem Gespräch der Wesen.
Da hört er ein Klopfen an der Rinde eines Baumes und er sah, dass die Wesen etwas daran festgehämmert hatten.
Er flog näher heran und las:
Ab dem heutigen Tage dürfen nur noch schwarze, gerade und schön gewachsene Bäume den Wald bewohnen. Alle anderen werden in den nächsten Tagen gefällt.
Der Herrscher des Planeten
Der Amselkönig erschrak und war zugleich wütend, wie auch traurig. Wer erdreistete sich in seinen Wald einzudringen und dieses zu verfügen? Wer erlaubte es sich seine Macht zu untergraben? Dies war sein Wald und seine Bäume und niemand durfte sie einfach so anrühren. Seit Äonen wuchsen diese Bäume unter ihm und seiner Vorfahren zu diesem heutigen prächtigen Wald heran. Umhegt und gepflegt mit aller Liebe und Sorgfalt - ob klein oder groß, krumm oder gerade, dick oder dünn und welche Farbe ein jeder Baum auch hatte - jeder war willkommen.Ebenso, wie alle anderen Lebewesen, die im Wald ihr Zuhause gefunden hatten.
Da sah er am Boden eine Ameise und sie sprach:
Jeder Baum, der nicht in die Welt der Herrscher passt, wird sterben müssen. Schon morgen sollen die ersten gefällt werden. Dann wird es nur noch einen glatten und angepassten sowie leicht zu regierenden Wald geben mit samt seinen einheitlichen Lebewesen. Die sind es, die bleiben - schwarze Lebewesen in einem schwarzen und dunklem Wald. Keine Sonnenstrahlen werden hindurch sickern können und kein Mondlicht. Auch du, Amselkönig, wirst den Wald verlassen müssen. Ohne Sonne und Licht kannst auch du hier nicht leben und deine bunte Welt wird es nimmer geben können.
Da wurde der Amselkönig sehr traurig. Was kann ich tun, Ameise? Wie kann ich es verhindern?
Du musst in die anderen Länder fliegen und dir Verbündete suchen - jetzt sofort. Sing es vom höchsten Baum...sing um Hilfe und rufe alle Tiere des Waldes zusammen. Erzähle den Bäumen, was ihnen droht und bitte ihre Baumgeister um Hilfe.
Viel Glück, oh Amselkönig. Rettet die Vielfalt der Natur. Rettet das Licht und den Frieden aller Lebewesen.
Längst jedoch hatten andere Tiere das Gespräch gehört und hatten sich auf den Weg gemacht Hilfe zu holen. Von überall her kamen sie geeilt und stellten sich eng einander. Niemand konnte dort durch. Ein lautes geisterhaftes Heulen erklang hinter den Tieren aus dem Wald heraus. Die Baumgeister hatten sich auf den Weg gemacht. Das machte den Götzen der Herrscher Panik und sie flohen.
Seitdem hat niemand mehr versucht jemals einem Baum oder einem anderen Lebewesen ein Haar zu krümmen. Und ob die Herrscher wollten oder nicht- das Leben blieb bunt, krumm und freundlich.
Der Amselkönig aber sang zum Dank jeden Tag in einem anderen Land sein Lied in den Tag hinein. Nur zum Abend- da zog es ihn in seinen bunten Wald des Lebens, der Liebe und der Freundschaft.
Lotta Blau, 2017