Chopin, der kränkelnde Träumer
Chopin, geboren in Zelazofa-Wola bei Warschau am 22.02.1810, sagte einmal: „Ich fühle mich ruhig und heiter, wie ein Säugling in der Wiege. Ich lebe in fremden Räumen. Oft mache ich den Tag zur Nacht und die Nacht zum Tag. Ich lebe in einem Traum und ich schlafe, während ich wache. Ja, schlimmer noch, mir ist, als ob ich immer schlafen müsste. Die Welt um mich schwindet.“
Er war wohl ein Träumer und flüchtete sich in seine eigene Welt. Dieses Phänomen gibt es bei vielen kreativen Köpfen - siehe zum Beispiel Kant. Sehr oft betreten sie eine leise Schwelle von Wirklichkeit und Weltbefremdung. Sie fremdeln in der realen Welt. Ziehen sich in eine Unnahbarkeit zurück. Vielleicht, um schreiben zu können, oder um sich nicht von der rauen Realität des Draußen einholen zu lassen, die ihren Bezug zu ihren Werken oder Denken stören könnten.
Chopin, zu den Romantiker zählend, schrieb viele seiner Kompositionen unter Schmerzen. Chopin kränkelte sehr oft. Schon als 16jähriger schrieb er: “Alle werden krank und ich auch. Du meinst vielleicht, ich hätte dies alles, was ich bisher hingeschmiert, auf einem Sessel sitzend geschrieben; es ist nicht wahr, es geschieht auf der Bettdecke, den Kopf in eine Schlafmütze eingezwängt, weil es mir, ich weiß nicht woher, schon seit vier Tagen schmerzt. Blutegel hat man mir an den Hals gesetzt, weil mir die Drüsen anschwollen, und unser Doktor Römer sagt, es sei eine katarrhalische Affektion.“ Diese Zustände sollten sein ganzes Leben anhalten. Es verging zum Beispiel kein Winter, ohne das er an Erkrankungen der Atemwege litt.
Er war ein sehr sensibler und beinah zerbrechlich wirkender Mensch. Sein Vater sagte einmal über ihn: “Er war so wenig widerstandsfähig, dass er beim geringsten Anlass in Tränen ausbrach.“
Obwohl Chopin immer wieder öffentlich auftrat, war ihm gerade das zuwider. Zu seinem Freund Franz Liszt sagte er einmal:“Ich bin nicht dazu geschaffen, Konzerte zu geben. Das Publikum schüchtert mich ein, ich fühle mich erstickt von seinem heftigen Atem, gehemmt von seinen neugierigen Blicken, betäubt von den fremden Gesichtern.“
1835 bekam Chopin hohes Fieber und spukte Blut. Heute weiß man, dass das der Beginn einer Lungentuberkulose war, die ihn zusätzlich stark schwächte. Er schrieb gerade mal 25jährig sein Testament.
Zwar konnte er sich ein wenig erholen, doch war er bis auf die Knochen abgemagert, litt unter Heiserkeit und musste ständig husten.
Im November 1838 fuhr er zusammen mit George Sand, die er durch seinen Freund Franz Liszt kennen lernte, zur Kur nach Mallorca. Die Hoffnung auf Heilung aber verging ihm schnell, denn sein Gesundheitszustand verschlechterte sich sogar noch. Er bekam eine Bronchitis. Er suchte auf der Insel drei Ärzte auf. Nun sagte man Chopin ganz offen, dass er an Lungentuberkulose litt. Die Mediziner rieten ihm zu Aderlass und Blasenpflaster, was Chopin aber ablehnte.
„Während der letzten zwei Wochen war ich krank wie ein Hund...Ich wurde von drei Ärzten, die berühmtesten der ganzen Insel behandelt. Der eine beroch das, was ich ausspuckte, der zweite klopfte da, woher ich spukte und der dritte betastete und horchte, als ich spukte. Der eine sagte, ich sei krepiert, der zweite, dass ich krepiere, der dritte, dass ich krepieren werde.“
Die Nachricht Chopin leide an Tuberkulose sprach sich auf der Insel schnell herum. Fortan gehörte er zu jenen, die man lieber mied.
Im Februar 1839 entschlossen sich George und Frederik zur Rückkehr nach Frankreich, doch dies war nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Chopin wurde jegliches Verkehrsmittel verweigert, da man eine Ansteckung und Verbreitung befürchtete. Er muss sich vorgekommen sein, wie ein Leprakranker.
Zunächst verbrachten sie – zwischen hundert Ferkeln eingepfercht - eine Nacht auf einem Schiff und verweilten zunächst in Barcelona in einem Hotel. Als sie dies verließen, musste er das Bett und Bettzeug bezahlen, da man es verbrennen musste.
Zurück in Frankreich erholte sich Chopin ein wenig.
„Mein Gesundheitszustand bessert sich von Tag zu Tag.“ Doch das hielt nicht lange an. Der kommende Winter warf ihn abermals in eine schlechtere Verfassung. Es hielt ihn aber nicht davon ab, an weiteren Werken zu arbeiten. An George schreibt er:“ Ihr unglaublich alter,mumienhafter alter Chopin.“ Da war er gerade 29 Jahre.
Im Winter 1847/48 konnte er keine Treppen ohne Schmerzen steigen. Er verfiel weiter.
1849 schrieb er:“ Ich vegetiere nur noch, ich erwarte geduldig mein Ende.“
Chopin hatte Angst lebendig begraben zu werden und ordnet noch auf dem Sterbebett an, man solle ihn zur Sicherheit nach dem Tode öffnen.
Am 17.10.1849 starb Chopin. Man entnahm ihn sein Herz, da er es gewünscht hatte, und schickte es nach Warschau, wo es in der Heiligen-Kreuzkirche aufbewahrt wird.
Robert Schumann über Chopin:“ Chopins Werke sind unter Blumen eingesenkte Kanonen“
Bild und Text Lotta Blau, 2008