Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden



Berührende  Begegnungen im Zaubergarten

Als hätte mich heute irgendwas in den Park gerufen...irgendwas zog mich heute dorthin. Meine Kamera eingepackt ging ich los. Zumeist geh ich auch in den Bauerngarten dort, der zum Schloss Benrath gehört.

Auf dem Weg dahin schaute ich auf den Boden, denn da krabbelte ein Schmetterling. Er sah entkräftet aus und suchte schließlich Schutz unter einem welken Blatt. Da rasselte ein Junge um die Ecke und fiel mit seinem Roller hin. Saß am Boden und kämpfte mit den Tränen. Ich ging zu ihm und tröstete ihn...tut weh...ich weiß, sagte ich. Da kam die Mutter an und sagte zu ihm aus drei Metern Entfernung:
Steh auf! Nur die Harten kommen in den Garten...Nein, keine Umarmung, keinen Trost, kein liebes Wort...nur Kälte und Härte.
Ich nahm den Kleinen in Schutz: Auch Jungen dürfen weinen...das tut doch weh...und zeigte auf seine aufgerissene Knie und die kleine blutende Wunde darauf.
Sie: Wenn Du weinen willst...willst Du weinen?
Da stand er auf und fuhr weiter mit seinem Roller. Verdutzt sah mich die Mutter an.

Ich ging weiter in Richtung des Gartens durch den Park.
Immer noch blühen so viele Blumen, manche sogar mit neuen Knospen, andere sind im Prozess des Welkens - halb noch blühend und halb vergangen. Voller Zauber stecken solche Anblicke und so voller schöner Wirklichkeit.

Dann fährt ein leichter Herbstwind durch die Blüten und löst einige davon, die sich von ihrem Kelch verabschieden und auf Boden oder Hecken fallen...dort tritt man auf sie, manchmal findet man sie mit Regentropfen darauf...als würden sie weinen. Aber nicht aus Verzweiflung, sondern aus ihrer verblassenden Schönheit heraus.
Auch heute sah ich wieder so viel was mich innerlich tief berührte und ich dann alles vergesse, denn jegliche Last rutscht zu Boden - übrig bleibt eine unglaubliche Leichtigkeit, glücklich...und doch auch so demütig vor dieser Kraft der Natur.
Ähnlich geht es mir beim Schwimmen...ich übergebe dem Wasser meine Klagen und befreie mich...die Wellen tragen die Schwere fort, nehmen sie mit in ihre Zeit, verdauen sie in sich und lösen sie auf.

Es war sehr leer heute, im Zaubergarten...kaum noch Menschen, die Bänke zusammengeräumt, standen am vorderen Eingang.

Viel Zeit ließ ich mir und schlenderte langsam durch diese prachtvolle Welt. Wie ein Schwamm sog ich diese Farbenspiele, die sich immer wieder änderten durch das Sonnenlicht, auf.

Ich bog irgendwann ab und wollte gerade gehen, da sah ich am Eingang des Bauerngartens eine Frau auf einem Fahrrad...Sie rief in den beinah leeren Garten: Huhu...wo seid Ihr denn alle?
Ich fand es lustig und rief: Huhu...hier bin ich...
Da kam sie herangebraust...In diesem Moment rannte auf einer der umfassenden Mauern ein Tier...ich konnte es nicht genau erkennen...kein Katze, kein Eichhörnchen...
Das sagte ich ihr, die vom Fahrrad abgestiegen war...Sie schaute mich lächelnd und schelmisch an und sagte: Vielleicht eine Kuh oder ein Schaf?
Ich lachte...nein, nein...gab ich zurück...auch kein Schwein auf einer Mauer und keine Kuh...
Wir lachten beide...
Sie gefallen mir, sagte sie.
Sie mir auch...antworte ich. Sie haben sich offensichtlich Ihr inneres Kind bewahrt...Das find ich so toll...
Sie freute sich...Hielt sich ihre eine Hand an ihr Herz und schluckte.
Ja, das stimmt...Ich jodle auch. Kennen Sie Heidi? Ihr ganzes Gesicht strahlte...
Ja?, gab ich zurück...toll...
Ich jodle und singe Ihnen was, sagte sie.
Also fing sie an. Es war wunderbar und berührte mich sehr.
Danach redeten wir noch eine ganze Zeit. Sie schüttete mir Ihr Herz aus...und erzählte mir aus Ihrem Leben. Ihr Vater ein großer Maler, sie malt auch. Loretta heißt sie...da fiel mir ein, dass ich seltsamer Weise einmal einen Text mit einer Figur Namens Loretta geschrieben hatte.
Sechsundsiebzig ist sie schon und noch so agil. Krebs überstanden, keine leichte Ehe, kinderlos, aber früher mit Kindern gearbeitet. Sie redete und redete...ich ließ sie und hörte gespannt zu, ab und an sagte ich etwas dazu, was sie tröstete und bestärkte in dem, was sie geschafft und geleistet hatte und durchstanden und in dem, was sie sich selbst wert war und wo sie ihre kleinen Fluchten bewahrte. So wie in den Garten zu fahren und die kleinen Dinge des Leben zu bestaunen.
Wir verblieben dann so mit einer kleinen Abmachung: Sollten wir uns noch einmal dort treffen, gehen wir zusammen einen Kaffee trinken...Sie wollte mich eigentlich nicht gehen lassen...sagte sie.
Sie umarmte mich...immer wieder...so viel Herzlichkeit...
Schwer lösten wir uns voneinander. Sie musste wieder zu ihrem Mann und ich war auch verabredet zum Eisessen. Wahrscheinlich das letzte Mal dieses Jahr.
Am Ausgang rief hinter mir jemand: Hallo? Könnten Sie mal schauen? Mir ist eine Fliege ins Auge geflogen und bremste neben mir ihr Fahrrad ab...stieg ab, hielt mir ihr Auge hin und zog das untere Lid herunter...
Ich schaute nach. Ja, tatsächlich...da klebte sie...Ich weiß..das tut wirklich weh. Ist unangenehm und brennt. Also wurstelten wir beide am Auge herum, um diese Fliege heraus zu bekommen...Schließlich gelang das auch.
Immer passieren mir solche Dinge, sagte die Dame.
Nein, sagte ich...ich kenne es...auch mir passieren solche Dinge...Da lachte sie...
Ich ahnte...irgendwas zog mich heute dahin...und mein Bauch hatte sich nicht geirrt.
Wundervolle Begegnungen hatte ich heute wieder...

Bild und Text Lotta Blau/2018