Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Hermann Hesse, Rede und Antwort stehen ...

Hermann Hesse, geboren am 02.07. 1877 in Calw/ Württemberg, schrieb im September 1950 in einem Brief an

Erika Mann : „Ich bin kein Mann des Gesprächs, ich habe zeitlebens unendlich viel Einsamkeit gebraucht, aber ich bin ein guter Zuhörer (…)“ Hesse schrieb sich unter anderem mit Erika, Thomas, Michael aber auch Katia Mann. Thomas Mann und Hermann Hesse verband eine enge Freundschaft. Oft suchte T.Mann bei Hesse Rat, wenn es u.a. um politische Fragen ging.

Hesse stand mit vielen Menschen im brieflichen Kontakt. Mit vielen Menschen, die er persönlich kannte, aber auch mit vielen, die ihn anschrieben und ihn zum Beispiel um Ratschläge für das Leben baten. Ob Liebeskummer oder Zweifel am Leben ; Hermann Hesse bekam mehr Post, als ihm lieb war. Das Gefühl Rede und Antwort stehen zu müssen erdrückte ihn mit zunehmenden Alter. An Salome Wilhelm schrieb er im Jahre 1848 : „Die Lage ist die, ich habe seit gut zwei Jahren eine tägliche Briefpost, deren bloßes einmaliges Lesen , noch ohne Beantwortung, einen jungen und gesunden Mann erschöpfen würde, es sind jeden Tag 100 und 500 Briefseiten, je nachdem, ein ununterbrochener Strom, der Tag für Tag meine Zimmer, meine Augen, meinen Kopf, mein Herz unter sein trübes und oft ätzendes Wasser setzt, der mir eine Welt von Elend, Klage und Ratlosigkeit, aber auch von Dummheit und Gemeinheit vorführt und mit allen Mitteln, von der einfachen Bitte bis zur Bedrohung mich zum Helfen, Stellung nehmen, Geben, Rat erteilen auffordert.“

Der Dichter hatte seit seiner Jugendzeit eine Augenkrankheit, die die Ärzte als beidseitigen Bügelmuskelkrampf mit zu engen Tränenkanälen, die zu Entzündungen neigten, diagnostizierten. Kopfschmerzen und Augenkrämpfe waren die Folgen davon.

Hesse hatte im Alter zunehmend Probleme mit seiner Sehkraft. Oft hatte er Augenschmerzen und bedauerte das er ganze Vormittage über Briefen saß, um sie zu lesen und beantworten. Lieber hätte er sich um seine eigene Schriften gekümmert oder sich der Literatur befreundeter Schriftsteller zugewandt. Etwa die von Thomas Mann, Hans Carossa oder Peter Suhrkamp, dem er half den Suhrkamp Verlag aufzubauen und dem er beistand, nachdem dieser schreckliche Zeiten erlebt hatte. Zeiten im KZ Sachsenhausen, Zeiten der Folter und Verurteilung zum Tode durch den Strang. Suhrkamp entkam nur knapp seinem Tod. Mit seinem Leben hatte Peter Suhrkamp den S.Fischer Verlag während des Nationalsozialismus verteidigt und unter allen Gefahren weitergeführt. Nach dem Krieg forderte der aus dem Exil zurückgekehrte Verleger Gottfried Bermann Fischer den Verlag zurück. Suhrkamp gab nach und stand zunächst auf der Straße. Hesse fühlte sich verantwortlich und ermutigte Suhrkamp seinen eigenen Verlag zu gründen.

In vielen seiner Briefe erkennt man den Individualismus und den Eigensinn, den Hesse sein ganzes Leben lang vertrat. Zum Individualismus gehört auch eine Portion Einsamkeit. Jenes Alleinsein, welches positiv für die Psyche ist, ist hier gemeint.

Einsamkeit ist für viele kreative Menschen nicht belastend, sondern notwendig. Der Maler etwa zieht sich in sein Atelier zurück und der Autor an seinen Schreibtisch. Auf Hesse traf beides zu. Die Malerei gehörte zu seinem Leben und ermöglichte es ihm Auszeiten zu nehmen vom Schreiben. Romain Rolland schrieb 1922 an Hesse : „Ich bin entzückt von Ihren Aquarellen. Sie sind köstlich wie Früchte und lachen wie Blumen. Sie erfreuen das Herz.“ Hesses Malerei erinnert ein wenig an August Mackes Stil und ein klein wenig auch an Klee. Er selbst empfand sich nach eigenen Aussagen aber nicht als großen Maler. Viel wichtiger war es, dass er sich erholen konnte und neue Kräfte sammelte. A. Gide bezeichnete seine Malerei als Verbindung von Dichtung und Bild.

Hesse war ein Naturfreund und Gartenliebhaber. Selbst im Unkraut jäten, welches für viele nur lästig ist, fand er Ruhe und Ausgleich. Seiner Liebe zur Natur verlieh er in vielen Gedichten aber auch in seiner Prosa Ausdruck. Über Bäume schrieb er ebenso wie über Schmetterlinge oder Blumen und viele seiner Gedanken um die Natur flossen auch in seine Antworten an die Leserbriefe ein. Bäume verehrte er und bezeichnete sie als " Einsame", die " wie große, vereinsamte Menschen, wie Beethoven und Nietzsche" wirken würden. Ein Baum würde nichts begehren, als das was er ist. " Das ist Heimat. Das ist Glück." (Hesse) Und so fand der Dichter in Bäumen ein tiefes inneres Verwurzeltsein seiner Selbst, das ihm half nicht zusammenzubrechen unter der Last der vielen Fragen der Menschen, die ihn um Rat baten.

Man muss man Selbst sein mit allem Drum und Dran, mit Leid und Freude, mit Glück und Trauer, mit Geschenken und Verlusten des Lebens, damit man anderen Halt geben kann. Man muss sich zumindest ein Stück weit selbst gefunden haben, um nicht zu schwanken unter den Problemen der Anderen. Doch niemand kann, wenn er klug ist, eines anderen Weiser sein. Gelobt sei Sokrates!

Der Schriftsteller beantwortete im Laufe seines Lebens circa 35tausend Briefe. Er fühlte sich für die auf Grund seiner Werke entstandenen brieflichen Geflechte verantwortlich und berief sich auf Rilke, der ebenfalls viele Leserbriefe bekam. Ähnlich wie Goethe oder Einstein.

Hermann Hesse starb am 09.08.1962 in Montagnola/ Schweiz im Schlaf an einer Gehirnblutung. Dieses sanfte Hinübergleiten zum Ungewissen hatte er sich noch ein paar Tage vorher gewünscht, als er von einem gerade verstorbenen Freund hörte, der friedlich im Schlafe gestorben war.

Lotta Blau, 2017