Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Schattenmund, Das Wohnzimmer eine Haltestelle

Schattenmund, tauch ab. Die Lichter der Nacht vereinen friedliches Schimmern mit dem Trostlosen. Da fällt das Leuchten auf die Gestrandeten. Deren Dach keines mehr ist. Was blieb, als drei Taschen in einer Bushaltestelle vom einstig Gewollten. Die Brille der Frau noch ohne Patina, das Glas noch nicht zerkratzt, keine Flasche...noch nicht. Das Gesicht maskenhaft zum Schmerz verzerrt. Müde, sagt ihr Atem zu mir, auf meine Frage. Müde...und schräg gegenüber, auf der Kirchentreppe vor einer geschlossenen Tür, liegt ein Übriggebliebener, eingerollt im Letzten. Morgens war die Nacht wieder nur ein Requiem. Die Glocken quälen sich über die Lippen und trauen keinen Augen von Niemanden mehr. Sonntags will man nicht stolpern, doch es sagen sich sieben Worte in die Gewissen, die wie Siebe löchrig sind.

Nebenan laufen bald wieder die Gehetzten durch die Gassen und Geschäfte. Wie teuer ist wohl ein Himmelsdach pro Quadratmeter ohne Bodenhaftung?

Die Schattenmünder entziehen sich allen Floskeln. Sie sprechen die Kälte wie Schnee über die aufblühenden Zweige. Frühlingsnah im Winter ist verloren. Unecht, wie die Faselteppiche auf denen jene sitzen, die Täuschungen an die Ränder stricken. Das Leben ist voller Metaphern, die man beinah bis ins Unendliche entkleiden kann. Diese Obdachlose war schon nackt. Endstation in drei Tüten voller Erinnerungen gepackt. Es regnete, es war kalt und sie hockte in der Ecke der Haltestelle umzingelt vom Regenwasser und eisiger menschlicher Kälte. Die Gefallenen tunken ihre Flügel, die schwer wie die ganze Welt, in die Wolkenbrüche. Sie trocknen meistens nicht mehr...die Flügel. Sie bleiben bleiern schwer und ziehen immer weiter nach unten. Vielleicht und ab und an, da tröstet Wärme. Manchmal, wenn man sie sehen will.

fifty fifty, deren Sozialarbeiter haben ihr auf meine Bitte geholfen.

Lotta Blau,im Frühjahr 2020

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