Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Der Geist der Welt

Eine sehr lange Zeit nun kämpfte der Geist der Welt um

die Genesung der Erde. Mit aller Kraft und mit aller Energie setzte er sich für Frieden unter allen Lebewesen ein und für Gerechtigkeit.

Jedes Einatmen und jedes Ausatmen einer sterbenden Seele, die nicht hätte gehen müssen...versuchte er dem schon Verlorenem neues Leben einzuhauchen...er beschütze die Tiere und ja auch die Menschen, denn er wusste, es waren nicht alle ein Feind ihrer Selbst und damit Zerstörer der Welt. So manchem reichte er die Hand...den Verzweifelten, die gefallen waren, den Kranken, die bei ihm Heilung suchten und den Armen, denen er seine Blumen schenkte. Doch es half alles nichts...immer mehr bahnte sich die Zerstörung ihren Weg...immer weiter wurde gequält und vernichtet. Immer öfter neues werdendes Leben sofort entrissen, um es in Geld zu verwandeln. Immer weniger Tiere und Pflanzen überlebten diese Zerstörungswut.

Dunkle Wolken zogen auf, schlimme Stürme und Hochwasser, Sommer im Winter und Herbst im Sommer, immer mehr Chaos brach über die Welt herein, immer schnelllebiger wurde das Leben auf der Erde, auch immer mechanischer und damit abhängiger wurde der Mensch.

Dem Geist der Welt entging nichts. Alles sah und speicherte er in seinem Gedächtnis. Man könnte meinen, er selbst wäre die Welt und das All, denn er war verbunden mit den Bäumen und Tieren aber genauso auch mit der kleinsten Fliege.

Er sprach auch ihre Sprache und verstand selbst die stummen Steine, denn auch sie hatten etwas zu erzählen. Oft saß er am Bach und lauschte seinem Plätschern, das voller Worte war. Jeder Baum trug ihm sein Anliegen vor und selbst aus der Wüste hörte er durch den Wind Frohes und Schlechtes. Allumfassend war sein Geist und sein Herz bis in den Kosmos hinaus...zu den Sternen und den Planeten. Allerdings behielt er was er dort sah für sich, denn es würde Aufruhr für die Menschen bedeuten und natürlich auch insgesamt für die Lebewesen der Erde.

Doch auch das machte dem Geist der Welt immer mehr Kummer...denn er sah ja sozusagen die Erde von oben und schaute im Geiste darauf.

Man sah von dort oben die Kriege, die Feuer, die Hochwasser, die Stürme, den Hunger und das Elend, hörte das Schreien und Wimmern der gequälten Tiere, er sah auch die Friedhöfe aus den Kriegen.

Eines Tages, der Geist der Welt sah schon wieder Kinder und Tiere sterben, setzte er sich erschöpft auf einen Stein und wusste nicht mehr weiter.

Er versank in Ratslosigkeit und merkte, dass seine Kräfte immer weniger wurden, denn die Mühlen der Zerstörung waren zu groß geworden.

Ach sagte er zum Baum vor sich...mein Freund...ich glaube, es ist zwecklos. Ich sollte wohl aufgeben und mich zur Ruhe legen. Ich sollte in meine Heimat gehen; dorthin wo alle Geister ruhen und die Erde sich selbst überlassen. Ich ertrage das nicht mehr. Kann nicht mehr sehen, wie sie miteinander umgehen und was sie ihren Mitgeschöpfen antun. Mir ist mein Herz zu schwer geworden. Mein Zauber reicht nicht mehr. Er kommt gegen Maschinen und übergroßen Hass und Gier nicht mehr an.

Ich sehne mich so nach Frieden, Freude und Glück, nach Einkehr und Stille, nach Liebe und Freundlichkeit. Ich sehne mich nach Respekt und Ehrlichkeit. Dann senkte er seinen Kopf und ein paar Tränen fielen auf den Boden. Dort wuchs sofort ein Keimling eines Bäumchens aus dem Boden.

Da kam ein kleiner Vogel zum Geist geflogen.

Geist der Erde, Geist des Lebens und der Liebe...ich habe gehört, was du gesagt hast - habe auch deinen Wunsch und deinen Kummer vernommen. Ich verstehe dich. Doch bitte gib nicht auf...denn wenn du gehst, ist vollends alles verloren - auch ich...ich werde dann sterben.

Die Welt ist kein Paradies mehr, aber sieh mich an...ich selbst bin eins. Ich bin ein Wunder, so wie du und macht das schon zwei. Sieh den Baum, mit dem du gerade gesprochen hast...er ist ein Wunder und wer soll ihn beschützen und seine Blätter heilen, wenn sie krank sind, wenn nicht du - Geist der Welt?

Wenn du gehst gibst du uns alle auf...

Ich weiß nicht, ob die Menschen jemals vernünftig werden...denn die Vernunft setzt Einsicht in ihr Denken und pflanzt neues Sehen und Fühlen in ihre Herzen - doch was ich weiß ist, dass dieser kleine Baumkeimling, der durch deine Tränen benetzt, durch deine Liebe und Trauer nun zur Sonne scheint...Durch dich lebt er.

So traurig und schwer dein Herz nun ist - es ist neues Leben entstanden. Darum siehe, sagte der Vogel zu dem uralten Geist - siehe selbst deine Tränen sind Leben...

Ich bitte dich darum bleib...

Der Geist überlegt kurz und sagte dann:

Du hast mich in meiner größten Schwäche und Traurigkeit überzeugt und mir neuen Mut gegeben. Du bist kein kleiner Vogel, sondern ein weises Lebewesen, das mir gezeigt hat, das es Lebewesen auf der Erde gibt, die klüger und weiser sind als ich - der Geist der Erde. Wie kann das sein? Darum und auch wegen deiner Bitte will ich bleiben. Ich kann dir nicht sagen, wie lange, aber zunächst bleibe ich hier. Es hängt ganz vom Menschen ab, wie er sich weiter verhält. Doch du weißt, wenn der Geist der Erde einmal ganz geht - ist es für alles Leben auf der Erde zu spät. Denn alles ist mit mir verbunden und atmet durch mich weiter...wenn ich nicht mehr da bin, wird alles aufhören zu atmen.

Nun flieg kleiner Vogel...flieg mein Freund und verkünde die letzte Chance der Erde richtet sich ganz nach dem Verhalten der Menschen...singe es ihnen - morgens und abends...auf das sie verstehen und einsehen.

Lotta Blau


Bild:free