Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Der Fremde und der Neubeginn

Einst sah man einen Alten durchs Dorf gehen. Kaum das die zerrissene Kleidung an seinem Leib hängen blieb, die er wohl schon ewig tragen musste. Blind war er und doch in jedem Schritt, den er tat, ungemein sicher wirkend.

Fremd war er in diesem Dorf und doch schien er sich auszukennen, als wäre er schon ewig ein Bewohner jenen Ortes.

So ging er über den Marktplatz und grüßte jeden, der ihm über den Weg lief. Jedoch machten die Menschen eher einen Bogen um ihn. Zu merkwürdig, zu seltsam und eigen schien ihnen der alte Mann.

Misstrauisch beäugten sie ihn und tuschelten...wo er wohl herkäme und wie er aussah, auch wohin er denn überhaupt wolle und wie es sein konnte, dass er sich derart auskannte.

Nur die Tiere kamen direkt und begleiteten ihn des Weges durchs Dorf. Katzen, Vögel, streunende Hunde...sie kamen und schmiegten sich an ihn.

Der Alte sprach mit ihnen, als wären es Menschen...das schürte nur noch mehr den Tratsch.Und sie begannen über den Fremden zu lachen.

Da blieb er stehen und drehte sich zu den Dorfbewohnern. Seine Blicke trafen die ihren und ließen sie erstarren. Denn dieser Blick war doch wahrlich seltsam. Es war, als schaute man in ein Universum, so tief und weit.

Es schien, als würden tausende weitere Augen aus ihm herausblicken und sie ansehen - in ihrem Getuschel und Fingerzeigen auf den Alten traf sie dieser Blick, wie ein Blitz. So schnell hörten sie auf zu schwatzen und wussten nicht warum, auch, dass sie auf einmal keine einzige Bewegung mehr tun konnten, sondern unbeweglich waren.

Da sprach der Alte zu ihnen: Ich bin wohl blind, doch sehe ich euch, ich höre wohl nicht mehr, doch vernehme ich eure Missgunst, ich bin wohl alt und meine Kleider schmutzig, doch bin ich rein in mir, ich bin wohl fremd, doch ist mein Zuhause überall, ich gehe wohl sehr langsam, doch dadurch spüre ich die Erde, auf der ich Gast bin, ihr glaubt ich sei einsam...doch bin ich der reichste Mann der Welt, denn ich habe alles zum Freund, was mir Freund sein will und ihr oftmals nur verurteilt, obwohl ihr es nicht einmal richtig kennt.

Die Tiere sind wahrlich menschlicher, als ihr...sind treuer, sind liebevoller und auch weiser. Ihre Herzen werden niemals kalt, eure schon. Sie können bedingungslos lieben, ihr nicht, sie haben nichts, außer dem, was sie zum Leben brauchen, ihr hingegen wollt immer mehr, sie begnügen sich mit dem Wenigen, ihr hingegen beraubt euch gegenseitig...Seht nur in meine blinden Augen, die nur für euch blind sind, denn ihr habt verlernt das Wahre zu erkennen...es erkennen zu wollen. Seid blind geworden für das Schöne neben euch, für die Liebe, die jedes Wesen euch schenken will...seht zwar eine Blume an, doch seht sie auch wieder nicht an...denn sie kann mit ihrer Herrlichkeit schon lange nicht mehr in eure Herzen dringen und es zum Lächeln bringen...

Da drehte er sich wieder weg und senkt seinen Kopf. Die Menschen im Dorf konnten sich wieder bewegen - doch niemand wagte auch nur ein Wort oder gar einen Fingerzeig. Ja, sie konnten auch nichts tun...als hätte man ihnen Vergangenheit in Herz und Kopf ausgelöscht.

Als wären sie aus Stein, so standen sie alle da und blickten zaghaft zum Alten.

Dieser sprach zu den Tieren: Geht nun zu ihnen...gerade sind sie im geistigen Nichts...können nicht denken, nur fühlen. Zeigt ihnen, wie ihr wirklich seid und hebt ihnen ihren Spiegel vor Augen, was sie sein könnten, wenn sie einmal alle Vorurteile zu Seite schieben und einfach einmal beginnen die Liebe zwischen allem Leben zu fühlen. So schenkt es ihnen, auf das es eine bessere gemeinsame Welt wird...für Mensch und Tier. Und wenn sie gespürt haben, wenn sie Vertrauen gefunden haben, dann werden sie auch anfangen zu denken und sie denken in aller Liebe für alle. Dann verstehen sie endlich, wie Leben gemeint.


Lotta Blau

Bild:free