Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Aus Kriegs - Bildern wachsen Luftballons/ Der Künstler Khaled Hussein

Es ist Krieg. Plötzlich wird der anbrechende Tag zerrissen. Seine beginnende Sonne wirft Schmerz auf die Köpfe. Vor den Augen fallen Himmelsstücke auf die Erde. Die Dächer der Häuser heben sich, falten sich und brechen über die Menschen ein, die gerade ihren Tag beginnen. Fensterscheiben klirren, Wände bröckeln, fallen dann übereinander her. Schreie überall. Die ersten Toten an den Straßenrändern. Einige unter Bäumen, deren Kronen halb zerstört. Bomben, Granaten...Steinstaub, Menschenasche, chemischer Regen. Verätzte, blutende Haut...Schmerz, Wahnsinn, Angst, Verluste. Mütter, Väter, Kinder...Alte auf Krücken. Holzwagen, ausgetretene Schuhe, blutbefleckte Kleider. Flucht. Hunger, Durst, müde Augen, müde Herzen. Frierende Füße, Wunden, Husten, Fieber...die langen Wege über Eisschollen des Krieges wollen kein Ende nehmen. Der Kopf malt dennoch Hoffnung auf Leinwandwege. Weiter, weiter...immer weiter. Da eine Blume am Weg, dort eine bekannte Melodie, die das Gedächtnis aufspielt, irgendwo aus der Schwere ein Wort: Trotzdem Hoffnung. Auch wenn die tote Hand unter den Trümmern sich geöffnet hatte im Sterben, als wollte sie sagen: Hilf mir auf aus dem Tod, nimm mich mit dir mit, samt meinem steinernen Totenbett. Ich wohn ab nun in dir.

Die Dort-Kriege scheinen weit weg für uns in Europa. Es ist der Schein, der schöne. Wir essen unser täglich Brot, bestreichen es mit Butter und belegen es. Es wächst sich jedes Jahr aus dem Korn unserer Erde. Fett und glänzend jährlich aufgestellte Ackerschollen, die sich gegeneinander reiben aber sich auch halten. Im Sommer brennen manchmal Felder. Das ein oder andere fällt der Glut oder einer weggeworfenen Zigarette am Feldrand zum Opfer. Verbrannte Erde, schwarz bleibt übrig. Die Spaziergänger oder Schaulustige beäugen diese Schwärze und gehen dann darüber schwatzend weiter. Die schwarze Erde, verkohltes Feld, Tür zum Begreifen, dass nichts näher sein könnte, als der Krieg dort und der Krieg da. Das das Feld etwas Wanderndes ist, wie die Flucht. Das ausgesätes Korn auf Granaten und Knochen und aus dem Schall der Gewehrkugeln, der Totflieger wächst. Unsere Hand zwar hier ist und doch auch dort den Tod liefert. Der Krieg zieht auch bei uns am Abzug, drückt den Knopf und vergoldet das Panzerrohr.

Ein paar Meter weiter, es geht dem Herbst zu, liegt ein beschmutztes Taschentuch neben einer kleinen Pfütze, vom Regen letzte Nacht. Schuhabdrücke daneben. Nur ein Schuh. Den Weg hinunter stehen ein paar Bäume, in deren Mitte ein Tümpel, wie ein Einod. Etwas Vergessenes. Das Stück Erde gehört dem Bauern und er hat es mit Stacheldraht umzäunt, der längst verbogen und nach unten gedrückt ist. Die Vögel finden hier Ruhe und einen Schlafplatz. Sträucher geben ihnen Schutz. Mitten darin hängt eine Hose zum Trocknen, liegt ein Schuh auf einem Stein, zieht sich eine Leine um zwei Bäume, hängt eine Plane darüber, steht ein ängstlicher Mensch. Blicken zwei Welten einander an. Krieg und Frieden. Boden und Bodenlos. Satt und Hunger, Durst und Wasserhahn, Kälte und Wärme. Schmerz des einen beginnt im anderen Herzen Gänge zu bohren. Inmitten von Stacheldraht.

Die Bilder von Khaled Hussein haben mich sehr beeindruckt. Aber eigentlich ist es das falsche Wort dafür. Sie haben mich erschüttert und zugleich eine Mischung aus Mitgefühl, Trauer und doch auch, ja, Hoffnung, erzeugt. Diese Luftballons in seinen Bildern geben dieses kurze Aufatmen. Während gleichzeitig das Zerstörte, das Trauma des Krieges und seine Nachwirkungen das Furchtbare aufzeigen. Es fliegt um die Ohren und explodiert. Hinterlässt einen Krater voller Fragen, Scham und Hilflosigkeit. Wütend möchte man schreien: Stoppt den Waffenhandel, Stoppt die Kriege! Stoppt die Wahnsinnigen, diese Kriegstreiber.


Die Kriege scheinen weit weg...dabei wachen sie jeden Morgen mit uns auf, essen das Brot, lassen sich füttern, begießen unsere Dächer mit Öl aus zerbombten Städten, regnen die Tränen der toten Kinder an unsere Scheiben, die angewehte Totenasche weht Kreuze auf die Ziegel unserer Dächer, die Uhren ticken laut, wie früher bei den Großeltern. Sie ticken die Toten, die Waisen, die Verletzten, die Hungernden, die Sterbenden, die Durstigen, die irre Gewordenen, die Ertrunkenen, die Gefolterten. Tik...Tik...Tik... Brot - Korn- Feld - verbrannte Erde - Gräber - Knochen - Taschentuch ... ein Schuh.

Blauer Luftballon am toten Kind...möge seine Seele Ruhe gefunden haben. Klavierlied des Krieges, will Hoffnung spielen. Luftballons, gefüllt mit Wünschen für ein besseres Leben. Für Herz-Boden. Botschaften zum Himmel - wir sind Menschen und bitten es sein zu dürfen.


Ein Bild zeigt eine weiße Taube, die eine Tote nach oben zieht. Dieses Bild greift direkt ins Herz und knetet es, bis es beginnt zu weinen. Selten hab ich solch starke Ausdruckskraft, selten so viel dargestellte Gefühle auf Leinwand gesehen. Mit so wenigen Farbstrichen, so viel ausgesagt.

Lotta Blau, 2021

Lieber Khaled, von Herzen alles Liebe...und danke für deine Bilder und das, was sie bezeugen, aussagen und worum sie in die Welt hinaus bitten. Mögen sie viele Menschen sehen!

Zu den Werken und Kontaktaufnahme:

https://www.facebook.com/khaled.hussein.1985/videos/2431757517054824