Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden



Hundeleben Satire

I. Der Professor

Na komm...komm mal her! Er nahm einen Hundekuchen aus der Tüte, die er bei jedem Spaziergang in seiner Jackentasche mitnahm. Du könntest doch passen! Lass dich mal ansehen! Der Hund kam näher, traute sich aber nicht richtig. Argwöhnisch sah er zur Hand mit dem Kuchen. Der Hunger war größer. Langsam und den Kopf geduckt, den Blick hektisch nach links und rechts huschend, den Schwanz eingezogen, kroch das Tier weiter zu ihm hin. Dann schnüffelte er an der Hand und fraß den Hundekuchen. Na siehst du...brav, sagte Professor Mibbel. Ist doch alles gar nicht so schlimm. Bist doch ein vernünftiger Hund. Dann legte er dem Tier eine Leine um. So, jetzt machen wir einen kleinen Spaziergang. Sag mal, woher kommst du? Bist du schon lange auf der Straße? Wenn du mir doch nur antworten könntest! Naja, vielleicht bald. Wir werden sehen. Nach dem Spaziergang nahm er das Tier mit nach Hause. In seiner Wohnung hatte er auch ein Zimmer für seine Erfindungen eingerichtet. Es lag zum Hinterhof zu, hatte ein kleines Fenster und dort stand auch seine Zeitmaschine. Er hatte sie noch nie ausprobiert, denn dazu brauchte er erst jemanden, dem er Anweisungen geben konnte, falls was schief gehen würde. Aber er traute niemandem wirklich. Es waren schließlich komische Zeiten. Jeder mißtraute jedem, das war Alltag.

Er war felsenfest überzeugt davon, dass die erste Wohnzimmerreise durch die Zeit gelingen wird. Zuerst wollte er in die Zukunft. Später dann in die Vergangenheit. Es war nämlich ein lohnenswerter Preis für denjenigen versprochen, der das nachweislich schaffen würde. Er stellte dem Hund noch eine Schale mit Wasser hin und wartete.

So, nun komm! Du musst wichtige Aufgaben lernen. Schau genau zu!
Dann zeigte er ihm die Bedienung der Maschine und erklärte ihm alles. Der Hund, übrigens ein Rüde und eine Mischung aus Boxer und Pudel, sah ihn an und richtete dann seinen Blick immer wieder auf die Maschine. Der Professor hätte schwören können, er hat sofort jedes Wort verstanden.
Gut, hast du alles verstanden? Weißt du, was du tun musst?

Ja, natürlich, sagte der Hund. Du hast es mir doch gut erklärt. Professor, ich habe Hunger, ich mein so richtig viel Hunger. Wo ist dein Kühlschrank?

Der Professor zeigte in Richtung der Küche. Jetzt spinne ich, ich hab wohl zu viel gearbeitet. Jetzt höre ich schon Hunde reden. Ich brauch eine Pause. Ich muss entspannen und morgen Dr. B. aufsuchen. Einen guten Freund. Meine Nerven sind wohl gestresst. Derweil lief der Hund zum Kühlschrank, öffnete ihn scheinbar problemlos, indem er sich auf zwei Beine stellte, nahm einen Joghurt raus und öffnete ihn. Für den großen Hunger hast du aber nichts in deinem Kühlschrank, sagte der Hund. Übrigens, ich heiße Berti. Du musst dich nicht wundern, dass ich sprechen kann und auch sonst so bin, wie ihr...Oh, jetzt muss ich aber mal. Wo ist das Klo? Der Professor zeigte um die Ecke zum Flur. Da!, sagte er. In der Zwischenzeit suchte er die Nummer der Notaufnahme des naheliegenden Krankenhauses raus. Er meinte, jetzt sofort bräuchte er einen Arzt. Es schien ihm sehr dringend. So dringend, dass er doch nicht bis zum nächsten Tag warten wollte. Dann kam Berti zurück, schnüffelte an seinem Bein und stellte sich wieder auf zwei. Ungefähr bis zu der oberen Hüfte reichte er dem Professor. Sag mal, willst du nicht wissen, wieso ich mit dir sprechen kann? Hat es dir die Sprache verschlagen? Hast du Angst? Brauchst du nicht. Ja, erzähl man, sagte der Professor. Ich glaub ich werde verrückt. Ich hab sicherlich zu viel gearbeitet. Hab ja die letzten Monate auch kaum geschlafen. Er strich sich nervös durch sein wirres Haar und fuhr dann an den Wangen hinunter zum Bart. Ich müsste mich auch mal wieder rasieren. Ich hab mich ziemlich vernachlässigt.
Ja, stimmt, sagte der Hund, der sich mittlerweile eine kurze Hose übergezogen hatte. Die zu langen Hosenbeine hatte er sich umgekrempelt. Naja, sagte er, wie sieht das denn sonst aus. Wenn ich im Menschmodus bin, dann trage ich Klamotten, wenn ich als Hund unterwegs bin, dann eben als Hund. Hast du vielleicht noch eine schwarze Krawatte irgendwo? Würde gut zu meiner Fellfarbe passen.
Mibbel zeigte auf den Kleiderschrank im Schlafzimmer. Dort...musst man schauen.
So stand nun also ein Hund auf zwei Beinen mit Hose und Krawatte vor Mibbel.
Also ich will es dir erzählen. Dann kannst du immer noch den Arzt rufen.
Das war so: Ich bin eigentlich tatsächlich nur ein Hund gewesen, bis man mich einfing und in ein Labor verschleppte. Viele, oh mein Gott, viele Hunde waren dort gefangen. Mich steckte man in einen kleinen Käfig und dort blieb ich erst mal ein paar Tage. Quarantäne, sozusagen. Egal, ich hatte gutes Futter. Dann nach vierzehn Tagen untersuchte man mich noch einmal und fand, ich wäre bereit für ein Experiment. Sie holten mich aus dem Käfig, stellten mich auf einen Untersuchungstisch und gaben mir eine Spritze. Dann schlief ich ein. Als ich aufwachte konnte ich plötzlich alles verstehen, was die Menschen sprachen, ja sogar, was sie dachten. Auch, wenn sie kein Wort sprachen, wusste ich genau, was sie gerade für Gedanken hatten. Ich musste stündlich untersucht werden, oh ja...viele Untersuchungen, immer wieder. Glaube mir...das Fiebermessen im Hintern nervte schon am zweiten Tag enorm. Gleichzeitig wurde alles genauestens ausgewertet. Da ich aber nun auch tatsächlich lesen und schreiben konnte schlich ich mich eines Tages, ich tat, als ob ich auf dem Untersuchungstisch eingeschlafen wäre, zu meiner Akte. Sie war ziemlich dick und ich begann zu erfassen, was mit mir geschehen war. Es war sogar darin vermerkt, dass ich von der Regierung ausgezeichnet werden solle. Gelungenes Experiment Menschhund. Weitere Studien folgen. Stand da. Und, die Stunde Null sei gekommen. Der Mensch neu erfunden. Mensch und Tier könne man nun wieder vereinen. Es gäbe bald kein Tier mehr, dass nicht auch Mensch wäre oder andersherum. Eine Revolution, schrieben die Geheimorganisationen. Und man müsse nun völlig neu denken, wenn man noch alles überwachen wolle. Jedes Tier sei nun verdächtig. Jeder Mensch sowieso. Aber nun...Verstehst du, was ich dir sage, Professor? Eine neue Ära war mit mir angebrochen. Ich bin sozusagen der neue Mensch. Sie haben alles in mir verändert. Sie wollten den Menschen reformieren mit den Eigenschaften von uns Hunden. Treue, Folgsamkeit, jederzeit bereit Befehle auszuführen, wachsam und verteidigend, Verbrecher aufspürend, oder auch besser einsetzbar bei verschiedenen beruflichen Tätigkeiten. So etwa als Gefängniswärter. Aber nicht nur das. Ich bin auch durch Elektronik steuerbar. Dazu braucht es nur die richtigen Datenströme. Im Prinzip ist der normale Mensch nun ein Auslaufmodell. Viel zu primitiv. Trotzdem mag ich dich. Ich hatte dich natürlich längst im Visier und musste anfangs ja so tun, als hätte ich Angst vor dir. Das setzt im Menschen meistens Bedauern frei, sie bekommen Mitleid. Nicht du hast mich ausgesucht, sondern ich dich. Ich wusste auch von deinen Experimenten mit der Zeitmaschine. Und noch was...ich spreche übrigens fünfzehn Sprachen und es gibt eigentlich beinah nichts, was ich nicht könnte. Die Regierung hat mich beauftragt danach zu sehen, wie weit du mit deinen Reiseplänen bist. Sie brauchen die Maschine. Hast du ein Bier für mich? Und ehrlich...ja, du solltest dich mal rasieren. Mensch, lass dich doch nicht so gehen. Arbeit hin oder her! Eine Zigarette wär jetzt auch nicht schlecht! Hast du welche?
Mibbel verneinte. Weder Bier noch Zigaretten. Kaffee hätte ich, sagte er.
Gut, nehm ich eben einen Kaffee. Brühst du mir einen auf? Per Hand mag ich am liebsten.
Mibbel ging in die Küche und der Hund wartete auf der Couch, die in der Ecke im Experimentierzimmer stand.

Als Mibbel mit dem Kaffee um die Ecke kam, sah er den Hund mit Handy telefonieren. "Ja, ist gut! Nein, keine Beschwerden! Ich müsste nur noch meine Einladung zum Kongress und dem jährlichen Vortragsterminen bekommen! Nein, noch nicht angekommen. Gut, ich aktiviere meinen Empfänger. Code Hundmensch. Verstehe! " Dann legt er auf.

Ja, weißt du...ist so eine Sache manchmal. Es gibt Orte und Zeiten, da kann ich schlecht empfangen. Geht ja alles per Gedankenströme. Aber hier bei dir, ist auch schlecht. Vielleicht hast du darum auch so lange an der Maschine tüfteln müssen.

Sag mal, wozu und warum braucht ihr denn meine Maschine überhaupt?, sagte der Professor. Ich mein, ich hatte ja keine Ahnung, dass die nun so wichtig ist. Eigentlich hatte ich keine Lust sie zu entwickeln. Aber ich brauchte Geld. Naja, die Trennung und das Haus muss ich auch weiter halten. Ich hab schließlich Mieter.

Ja, wissen wir alles, gab der Hund zurück. Es hat keiner diese Maschine so weit entwickeln können, wie du. Darum mussten wir dich einbeziehen. Du fragst, was wir mit der Maschine wollen? Nun, das ist streng geheim. Leider kann ich es dir nicht sagen. Und du wirst auch nicht als erster diese Reise unternehmen. Du bist der Entwickler, wir brauchen dich noch. Nur so viel und wie gesagt, der Mensch in seinem Status ist überflüssig geworden. Ich denke neben mir sind mittlerweile noch viele, viele weitere so wie ich unterwegs. Oh, ich weiß was du denkst...vergiss das nicht. Ich kenne alle Gedanken. Klar, ich bin aber nicht so und unterhalte mich trotzdem mit Dir. Ich mag dich eben. Aber eigentlich müsste ich das nicht. Weißt du als Hund erlebt man viel, was die Menschen betrifft. Witzig fand ich immer, wenn sie so in ihre Babysprache versinken, sobald sie was niedlich fanden. Zum Beispiel, wenn ich bei meiner früheren Familie die Tür öffnete. "Supi, toll, fein..gutes Hundi...und so weiter. Naja, irgendwann zogen sie weg und ließen mich allein an einem Baum zurück. Was meinst du...war es Glück oder Unglück, dass sie mich fanden und ich letztlich im Labor landete?
Ich bin zu verwirrt, sagte Mibbel. Ich weiß es nicht und ich weiß ja auch nicht, was da noch auf die Menschheit zukommt, wenn du sagst der normale Mensch wäre überholt. Ich ahne allerdings nichts Gutes.

So, genug geschwatzt, sagte der Hund. Ich habe gerade Gezänk vom Parlament mitbekommen. Sie streiten um die Hundesteuer. Intern, natürlich. Denn noch sollen die Menschen ja nichts merken. Noch ist alles streng geheim. Ich werd mal deine Konstruktion an die Auftraggeber senden. Moment...So, erledigt. Ich habe ihnen auch gleich mitgeteilt, dass du einverstanden bist und darum wirst du weiterhin ein gutes, zufriedenes und sehr leichtes Leben haben. Im Prinzip braucht man nur noch deinen Kopf. Dein Körper ist überflüssig. Aber ich mag dich so, wie du bist. Sie werden dich erhalten. Morgen kommen sie vorbei und holen dich und die Maschine ab. Halte dich bereit. Ich komm auch wieder mit.